Ein Antrag zur Programmdebatte

Von Björn Blach, Stuttgart

Antrag der Grundorganisation Stuttgart-Nord: „Der Parteitag beauftragt den Parteivorstand, dem kommenden 23. Parteitag ein Dokument vorzulegen, in dem die Voraussetzungen für die Diskussion eines neuen Parteiprogramms abgesteckt werden und Maßnahmen entwickelt werden, wie die DKP diese Voraussetzungen erreicht.“

Die vorläufige Antragskommission empfiehlt dazu Annahme in geänderter Fassung:

„Der Parteitag beauftragt den Parteivorstand, dem kommenden 23. Parteitag ein Dokument vorzulegen, in dem die Voraussetzungen für die Diskussion zur Überarbeitung des Parteiprogramms abgesteckt werden und Maßnahmen entwickelt werden, wie die DKP diese Voraussetzungen erreicht.“

Begründung:

Eine Überarbeitung des Parteiprogramms aufgrund der fortgeschrittenen nationalen und internationalen Entwicklungen ist erforderlich. Das macht aber nicht zwangsläufig ein neues Parteiprogramm erforderlich. Daher wird – wie zur Erarbeitung des gültigen Parteiprogramms – das alte überarbeitet. Inhaltliche Diskussionen und Analysen zu leisten bedarf eines genauen Fahrplans und Schwerpunktsetzungen.

Als Grundorganisation haben wir seit Erscheinen des Bildungsheftes zur Strategie viel diskutiert. Nicht zuletzt die Diskussion zum Leitantrag hat für uns einiges verdeutlicht.

Über 300 Anträge zu diesem Dokument zeugen natürlich von einer großen Diskussionsfreude, aber auch von einem großen Bedarf. Dabei fällt auch in vielen Debattenbeiträgen in der UZ auf, dass wir keinen eigenen einheitlichen Begriffsapparat mehr zur Verfügung haben und wir weltanschaulich erst wieder ein gemeinsames Niveau in der gesamten Partei erarbeiten müssen. Das liegt auch daran, dass sich im gültigen Programm begriffliche Unklarheiten eingeschlichen haben.

Im Programm wird darauf verwiesen, dass große Teile der Gesellschaft in Widerspruch mit den Interessen des Monopolkapitals geraten. In dem entsprechenden Satz werden „kleine und mittlere Unternehmer“ erwähnt. In der Strategiedebatte ergab sich auch daraus die Auseinandersetzung über Bündnismöglichkeiten mit der kleinen und mittleren Bourgeoisie. Es werden nicht nur unterschiedliche Wörter gebraucht, auch der Begriff scheint verloren.

Der bürgerliche Begriff Unternehmer ist denkbar unbrauchbar für unsere Weltanschauung, fasst er doch einfach den Großteil der Selbstständigen zusammen, vom Scheinselbstständigen über den Handwerker mit einer Handvoll Angestellten bis zu den Monopolkonzernen. Aber auch in unseren Begriffen scheint einiges in Verwirrung geraten zu sein. Wer gehört denn nun zur feindlichen Klasse? Marx weist im „Kapital“ nach, dass es eine bestimmte Wertsumme braucht, damit aus Geld Kapital wird. D. h. wir müssen unseren Begriff schärfen und bevor wir über Bündnismöglichkeiten diskutieren, erst klären: Wer sind sie denn, die kleinen und mittleren Bourgeois?

Hans Heinz Holz gibt hier nicht nur einen treffenden Zwischenstand zur Debatte, sondern auch einen sehr konkreten Auftrag:

„Eine wissenschaftlich begründete politische Strategie im Stellungskrieg setzt eine Theorie der Hegemonie voraus, und ohne eine hegemonie-theoretische Klärung der aktuellen Klassenkampflage geraten die Einschätzungen der eigenen Stärke und der Entwurf der Strategie in Gefahr, illusionistische zu werden – entweder opportunistisch oder utopisch Wirklichkeit und Ziel zu vermengen.“ (Holz „Philosophische Reflexion und politische Strategie bei Antonio Gramsci“)

Will man diesen Auftrag ernst nehmen, müssen wir damit beginnen uns unsere Weltanschauung wieder systematisch anzueignen, bevor sie in einem wissenschaftlich fundierten Programm zum Ausdruck gebracht werden kann.

Dies haben wir versucht als Partei­gruppe in einem Antrag an den Parteitag zu formulieren und schlagen vor, den neuen PV zu beauftragen, ein entsprechendes Dokument dem 23. Parteitag vorzulegen.

Es braucht die ideologische Stärkung der DKP, damit die gesamte Partei die Diskussion auf einem wissenschaftlichen Niveau führen kann. Wir müssen unsere strategischen Überlegungen reflektieren:

1. Die antimonopolistische Strategie der DKP wurde nicht im luftleeren Raum entwickelt. In der kommunistischen Bewegung wurden immer die internationalen Kräfteverhältnisse als entscheidende Bedingung für die Strategieentwicklung genannt. Diese sind heute andere.

2. Zu Recht hat sich die DKP in ihrer Strategieentwicklung an der Diskussion in der kommunistischen Weltbewegung orientiert. Deshalb sind auch evtl. revisionistische Einflüsse in eben dieser zu untersuchen, etwa in der These der „Friedensfähigkeit des Imperialismus.

Neben organisatorischen Voraussetzungen gehören zu einer Programmdebatte natürlich auch politisch-praktische. Nur eine Partei, die in den Klassenkämpfen aktiv ist und um eine Verankerung in den Massen ringt, kann sich ein Programm geben, welches die Massen anspricht, Klassenbewusstsein schafft und auf Kämpfe orientiert. Deshalb erfordert eine neue Programmdebatte eine gestärkte DKP, stellt dabei aber gleichzeitig auch ein Mittel zur Stärkung der kommunistischen Partei in Deutschland dar.

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Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

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"Ein Antrag zur Programmdebatte", UZ vom 23. Februar 2018



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