Die CSU verschärft ihren reaktionären Kurs

Eine „bürgerlich-konservative“ Wende

Von Nina Hager

Am Sonntag begannen in der SPD-Zentrale in Berlin die Sondierungsgespräche. Zuvor war Bundeskanzlerin Merkel zuversichtlich: „Ich glaube, es kann gelingen.“ Martin Schulz erklärte, die SPD werde „ergebnisoffen“ sondieren. Doch man ziehe keine rote Linien. Allerdings wolle seine Partei möglichst viel „rote Politik“ in Deutschland durchsetzen. CSU-Chef Horst Seehofer betonte zwar den Einigungswillen, erklärte jedoch auch: „Wir wollen unser Profil nicht verwischen.“

Was das bedeutet, wurde auf der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe, die in der vorigen Woche im Kloster Seeon stattfand, erneut klar. Nicht nur, weil der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Victor Orbàn wie im vergangenen Jahr Gast war und die CSU „inspirierte“. Die CSU verschärft ihren reaktionären Kurs. Das wird auch im Essay „Mehr Bürgerlichkeit wagen – Plädoyer für eine bürgerlich-konservative Wende“ von Alexander Dobrindt, dem neuen CSU-Landesgruppenchef, deutlich. Das Essay erschien in der Zeitung „Die Welt“ am 4. Januar als Gastbeitrag. Dobrindt rief im Kloster Seeon dann die Klausur zum „Gipfeltreffen der bürgerlich-konservativen Politik“ aus. „Deutschland ist keine linke Republik“, so Dobrindt zu Beginn der Tagung. In seinem Essay heißt es dazu: „Linke Aktivisten“ wurden seit 1968 zu „Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit“. Aus der angeblichen linken Hegemonie leitet er ab, dass es nun einer „bürgerlich-konservativen Wende“ bedürfe: „Fünfzig Jahre nach 1968 wird es Zeit für eine bürgerlich-konservative Wende in Deutschland. Linke Ideologien, sozialdemokratischer Etatismus und grüner Verbotismus hatten ihre Zeit. … Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger. Wir unterstützen diese Revolution und sind ihre Stimme in der Politik.“ Und er zieht das Fazit: „Das 21. Jahrhundert muss zeigen, dass die linken und rechten Ideologien des 20. Jahrhunderts überwunden sind. Die geistige Verlängerung des Sozialismus über die Ideen von 1968 sollte zu Ende gehen. Wir wollen 1968 hinter uns lassen. Wir brauchen den Aufbruch einer neuen Bürgerlichkeit, die sich ihrer Werte und Freiheit bewusst ist.“ Der Widerspruch aus den eigenen Reihen war zaghaft. Doch selbst bürgerliche Medien verwiesen danach im Zusammenhang mit der geforderten „konservativen Revolution“ auf historische Vorbilder, auf Wegbereiter des Faschismus und die „Neue Rechte“.

Die auf der Klausurtagung beschlossenen sechs Positionspapiere stehen nicht im Widerspruch zu Dobrindts Linie. Vieles ist nicht neu, stand schon im „Bayernplan“ für den Bundestagswahlkampf oder in früheren Dokumenten. Natürlich fordert man zum Beispiel jetzt im Positionspapier „Für einen starken Rechtsstaat in ganz Deutschland“ wieder „einen starken Staat nach innen und nach außen“, die „Sicherung der Grenzen“ gegen „ungebremsten Zuzug“, den Einsatz der Bundeswehr bei „Terrorlagen“ im Inneren. Doch die Flüchtlingspolitik soll noch verschärft werden: So will die CSU unter anderem Sozialleistungen für Flüchtlinge weiter kürzen, das Alter junger Flüchtlinge „durch geeignete Untersuchungen“ feststellen lassen, noch schneller abschieben. Auch auf europäischer Ebene fordert man ein härteres Vorgehen. „Es ist nicht akzeptabel, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnimmt als alle anderen 27 EU-Staaten zusammen“, heißt es zudem. Asylverfahren sollten an den EU-Außengrenzen erfolgen, abgelehnte Asylbewerber direkt von dort abgeschoben werden. Die CSU fordert ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz (siehe UZ vom 5. Januar).

Und klargestellt wird auch hier: Der Feind steht links. So heißt es unter anderem: „Wir gehen mit maximaler Härte gegen jede Form von Extremismus vor. Extremistische Auswüchse – egal ob von rechts, links oder islamistisch – wollen wir bereits im Keim ersticken. Den Missbrauch der Demonstrationsfreiheit für Gewaltexzesse wollen wir unterbinden.“ Gefordert wird die Schließung angeblicher Keimzellen der Kriminalität wie die Rote Flora, eine europäische Extremistendatei auch für „Linksradikale“, die Verschärfung des Demonstrationsrechts, das bundesweite Verbot von Vermummung und ein Versammlungsrecht nach bayerischem Vorbild. Der Tatbestand des Landfriedensbruchs soll verschärft werden, um – wie jetzt schon bei den Prozessen gegen G20-Gegner Realität – sogenannte Mitläufer bestrafen zu können. Gefordert wird zudem eine Offensive und mehr Geld für Projekte gegen „Linksextremismus“.

Ob die CSU mit diesen und anderen Forderungen – und entsprechenden Maßnahmen – wie beabsichtigt ihre rechte Flanke schließen kann, um bei den Landtagswahlen in Bayern im Herbst damit AfD-Wählerinnen und -Wähler zurückzuholen, ist noch ungewiss.

Die SPD-Führung weiß, worauf sie sich bei den Sondierungsgesprächen einlässt, auch in anderen Fragen. Und sie weiß, dass die Forderung nach einer „bürgerlich-konservativen Wende“ auch in Teilen der CDU-Mitgliedschaft durchaus auf Zustimmung stößt. Und trotzdem will sie auch mit der CSU weiter „ergebnisoffen“ sondieren. Wie „politisch“ heruntergekommen muss man sein, überhaupt mit solchen „Partnern“ über eine mögliche Koalition zu reden? Die politische Verantwortung (nicht eine staatspolitische, was immer das sein soll) müsste sein, solche Vorstellungen der CSU und von Teilen der CDU konsequent abzulehnen. Zu befürchten ist ein schlimmer Kuhhandel, der den Rechtsruck bürgerlicher Politik nicht aufhält, sondern mit Unterschrift besiegelt. Für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen braucht sie jedoch noch die Zustimmung des SPD-Sonderparteitags, der wegen der CSU-Klausur sowie des späteren Beginns der Sondierungen verschoben wurde und nun am 21. Januar stattfinden soll.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Eine „bürgerlich-konservative“ Wende", UZ vom 12. Januar 2018



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