Hugo Haase, erster Vorsitzender der USPD

Entschieden gegen den Kriegskurs

Von Michael Henkes

Hugo Haase wurde am 29. September 1863 in Allenstein (damaliges Ostpreußen) als Sohn eines Schuhmachers geboren. Er studierte Jura in Königsberg und trat nach seinem Studium 1887 in die SPD ein.

Als einziger sozialdemokratischer Rechtsanwalt in der gesamten Provinz Ostpreußen setze er sich häufig für nahezu rechtlose Landarbeiter und Bauern ein und verteidigte Sozialdemokraten, die vor Gericht gestellt wurden. 1897 bis 1907 war er dann zunächst Mitglied der SPD-Fraktion im Reichstag. Im zuletzt genannten Jahr vertrat er u. a. Karl Liebknecht, der nach der Publikation der Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ wegen Hochverrats angeklagt wurde.

Den vorläufigen Höhepunkt seiner politischen Karriere bildete seine Wahl zum Parteivorsitzenden der SPD gemeinsam mit August Bebel. Nach Bebels Tod blieb Haase bis 1916 – gleichberechtigt mit Ebert – Vorsitzender. Haase selbst verstand sich als Teil des sogenannten „zentristischen Flügels“, der nach außen hin die Versöhnung des radikalen linken SPD-Flügels mit den Rechten in der Partei anzustreben versuchte – mit dem Ziel, die Einheit der deutschen Arbeiterbewegung bzw. der Partei zu wahren. Im Grunde aber blieben die Zentristen gleichfalls Anhänger einer, wenn auch gemäßigten, rechts-opportunistischen Revision des Marxismus. Deutlich wurde das in der immer heftiger geführten Debatte um den Charakter des Imperialismus z. B. im Zusammenhang mit Haases Referat über den Imperialismus auf dem Parteitag 1912. Während er zu Beginn seiner Ausführungen darstellte, dass im imperialistischen Stadium des Kapitalismus die Auseinandersetzungen der imperialistischen Staaten zunehmen würden, kam er im zweiten Teil seines Referats zu einer Fehleinschätzung auch der aktuellen Situation. Er propagierte, sich selbst widersprechend, es sei auch eine „friedliche Expansion“ und Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten denkbar.

Sozialdemokraten im Widerstreit

In direkter Konfrontation mit der Zustimmung/Ablehnung der Kriegskredite im Sommer 1914 waren die Zentristen, führend Hugo Haase, inkonsequent: Zwar forderten auch sie die Ablehnung der Kredite (wenn sie auch, wie übrigens auch Liebknecht, aufgrund der Fraktionsdisziplin zunächst dafür stimmten). Haase hatte in der Fraktion sogar offen gegen eine Zustimmung zu den Kriegskrediten gesprochen, unterwarf sich aber der Fraktionsdisziplin und begründete – dazu von der Fraktionsmehrheit gezwungen – im Reichstag den Fraktionsbeschluss, mit dem auch „die freiheitliche Zukunft“ des deutschen Volkes bedrohenden „Sieg des russischen Despotismus“. Sie riefen die Arbeitermassen nicht zu konkreten Aktionen des Widerstandes auf. Diese Inkonsequenz zieht sich wie ein roter Faden durch Hugo Haases politisches Handeln.

Am 19. Juni 1915 veröffentlichte er gemeinsam mit Eduard Bernstein und Karl Kautsky, den theoretischen Vätern des Revisionismus bzw. Zentrismus in der deutschen Arbeiterbewegung, einen Aufruf unter dem Titel „Das Gebot der Stunde“. Die Autoren wandten sich gegen die deutschen expansionistischen Kriegsziele und verkünden die Losung eines „demokratischen Friedens“ innerhalb der kapitalistischen Ordnung. Sie forderten – jedoch sehr allgemein, ohne zugleich zu Massenaktionen aufzurufen – eine entschiedene Opposition der SPD zum Kriegskurs.

Nachdem Karl Liebknecht bei einer Friedensdemonstration auf dem Potsdamer Platz in Berlin am 1. Mai 1916 verhaftet wurde, setzte sich Haase eindringlich für dessen Freilassung ein. Kautsky missbilligte dagegen die Sympathien seines Freundes Haase für Liebknecht und die Spartakusgruppe.

Auf Druck der Massenproteste sprachen sich im Laufe des Krieges immer mehr SPD-Vertreter gegen die weitere Zustimmung zu Kriegskrediten aus; 18 von ihnen um Hugo Haase wurden schließlich am 26. März 1916 von der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Haase legte seinen Parteivorsitz nieder und gründete die SAG, die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft, die sich explizit als Teil der mittlerweile vollends unter sozialchauvinistischer Führung geratenen SPD verstand

Am 18. Januar wurde schließlich die gesamte SAG aus der Partei ausgeschlossen. Dies war letztendlich der Anstoß für die Sammlung der oppositionellen Kräfte der Partei und die Gründung der USPD im April 1917.

Lenin hat einst über die Zentristen Folgendes geschrieben: „Worin besteht nun die Haupteigentümlichkeit, die beide Formen des herrschenden Opportunismus [Zentristen und Anhänger Bernsteins] auszeichnet? Darin, dass man die konkrete Frage des Zusammenhanges des jetzigen Krieges mit der Revolution […] verschweigt.“ Machen wir einen zeitlichen Sprung nach vorne, als selbst den Opportunisten der Zusammenhang von Krieg und Revolution ins Auge springen musste.

Novemberrevolution in Deutschland

Die USPD und mit ihr führend Hugo Haase strebten in dieser revolutionären Stunde die Zusammenarbeit mit der Mehrheits-SPD (MSPD) an, um „Schlimmeres“ zu verhindern. Gemeinsam mit der MSPD unter Ebert bildete die USPD die Regierung, den Rat der Volksbeauftragten. Hugo Haase war ein Teil von ihr. Karl Liebknecht warnte noch vor einem Pakt mit den Opportunismus, blieb aber ungehört. Haase und andere aus seiner Partei banden durch ihre Kompromisse, durch dauernde Zugeständnisse die revolutionären Kräfte, trugen zur Desorientierung bei, erleichterten damit der Ebert-Gefolgschaft und der Reaktion, die Gegenkräfte zu formieren.

Exemplarisch für die folgende Unterordnung Haases unter die „Wünsche“ der MSPD in dieser Regierung war die Ablehnung einer Getreidelieferung aus Sowjetrussland, die für die hungernden Arbeiter in Deutschland gedacht war. Haase war zuständig für Außenpolitik. Anders als Kautsky war er – wie die Mehrheit der USPD-Anhänger – jedoch ein Befürworter der Oktoberrevolution in Russland.

Nachdem die Auseinandersetzungen zwischen MSPD und USPD immer stärker wurden (Höhepunkt war die Niederschlagung revolutionärer Matrosen auf Befehl Eberts in den Weihnachtstagen 1918) traten die Volksbeauftragten der USPD, unter ihnen Hugo Haase, aus der Regierung aus. Der völlige Bankrott der Regierungsbeteiligung wurde nun allen offensichtlich. Angetreten um die „sozialistischen Errungenschaften zu festigen“, wurden sie so letztlich zu Beihelfern der Konterrevolution unter Führung der MSPD und Eberts.

Bei Gründung der KPD trat Hugo Haase gegen diese auf und sprach sich für die Vereinigung der USPD mit der MSPD aus. Im Zuge des Spartakusaufstandes 1919 nahm Haase erneut eine zentristische Position zwischen den Revolutionären auf der einen und der Kräfte um Ebert und Noske, damit der Konterrevolution, auf der anderen ein. Er wollte vermitteln, erreichte Zugeständnisse der Revolutionäre, doch keine von Noske und Ebert, die entschlossen waren, den Aufstand mit Hilfe der Freikorps blutig niederzuschlagen. Der Ausgang ist allgemein bekannt.

Am 8. Oktober 1919 wurde Hugo Haase von einem angeblich geistig erkrankten Arbeiter angeschossen und starb in der Folge am 7. November 1919. Haase fand – neben zahlreichen Revolutionären – sein Grab auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde.

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"Entschieden gegen den Kriegskurs", UZ vom 7. Juli 2017



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