Salvini stellt Linksradikalen öffentlich zur Schau

Faschistischer Jargon

Von Gerhard Feldbauer

Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, haben Innenminister Matteo Salvini (Lega) und Justizminister Alfonso Bonafede (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S) den aus Brasilien nach Italien ausgelieferten Cesare Battisti am 14. Januar auf dem Flugplatz Ciampino bei Rom persönlich mit einem spektakulären Großaufgebot von Polizei und Medien in Empfang genommen. Der Ex-Linksradikale werde, wie der Minister im faschistischen Jargon ankündigte, im Gefängnis „verrotten“. Medien wie „Manifesto“ protestierten, das verletze Artikel 27 der italienischen Verfassung, nachdem das Gefängnis „die Umerziehung des Verurteilten“ zum Ziel habe Der Innenminister verfolge „übelste“ und „hinterhältige Absichten“, so das linke Blatt weiter. Die „Vereinigung der Strafkammern“ (Richterbund) nannte die Zurschaustellung „eine der schändlichsten Seiten“ der Geschichte der Justiz. Der Ex-Terrorist wird in den römischen Hochsicherheitstrakt Ribibbie eingeliefert, wo er mindestens die ersten sechs Monate in Isolationshaft verbringen soll. ANSA zitierte Sonntag den Innenminister, dass 30 flüchtige Ex-Terroristen erfasst seien, 14 davon in Frankreich. Die Regierung werde sich mit deren Behörden wegen der Auslieferung in Verbindung setzen.

Der heute 64-jährige Battisti gehörte in seiner Jugend den linksextremen „Bewaffneten Proletariern für den Kommunismus“ (PAC) an, die gegen die Gefahr der Errichtung eines faschistischen Regimes durch Nato- und CIA-Kreise in Komplizenschaft mit der Mussolini-Nachfolgerpartei MSI bewaffneten Widerstand leisteten. Wie der linke Publizist Primo Moroni schrieb, haben daran in Italien etwa 7 000 bis 11000 Personen teilgenommen, Battisti entkam 1981 der Verhaftung und erhielt zunächst unter dem sozialistischen Präsidenten Mitterrand in Frankreich Asyl als politischer Flüchtling. Er begann eine neue Karriere als recht bekannter Schriftsteller. 1986 wurde er in Italien beschuldigt, vier Morde begangen zu haben, und auf der Grundlage von Leggi speciali (Notstandsgesetzen nach deutschem Vorbild) zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er hat die Morde immer bestritten. Das juristisch umstrittene Urteil stützte sich nur auf die Aussagen von Pentiti (Kronzeugen), die dafür Strafmilderung erhielten. Darunter waren in den 70/80er Jahren zahlreiche Mitglieder der linksextremen Roten Brigaden (RB). Aus den Untersuchungen der Parlamentskommission zu der von der CIA inszenierten Ermordung des christdemokratischen Parteiführers Aldo Moro ist unter anderem der Fall des RB-Mitglieds Patricio Peci aus Turin aktenkundig, der selbst acht Morde begangen hatte. Da er der Polizei nicht nur mehrere BR-Mitglieder nannte, sondern auch mehrfach als Kronzeuge aussagte, wurde er nur zu zehn Jahren Haft verurteilt und kam bereits nach zwei Jahren frei. Wie verlautet, wird derzeit von verschiedenen Seiten erwogen, eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Battisti anzustrengen.

In den 80er und 90er Jahren war bei der Aufdeckung der von der CIA gebildeten faschistischen Putschloge P2 in dieser die Mitgliedschaft führender italienischer Militär- und Staatskreise zur Manipulierung linksradikaler Gruppen für die Spannungsstrategie bekannt geworden. Im Dreierdirektorium der P2 saß, wie die Publizisten Giovanni Ruggerie und Mario Guarino in ihrem Buch „Berlusconi – Showmaster der Macht“ nachwiesen, der mehrmalige spätere Premier Berlusconi. Nicht zuletzt deshalb wurde dieses Kapitel in den vergangenen Jahren von der Justiz stillschweigend geschlossen. Salvini will es jetzt zur Jagd auf die „kommunistischen Mörder“ wieder öffnen, um damit gleichzeitig von seinem Kurs auf Installierung eines faschistischen Regimes abzulenken. Der neue antikommunistische Feldzug soll zugleich das Terrain für die Kampagne zu den EU-Wahlen im Mai bereiten.

Der schon in der Bedeutungslosigkeit versunkene Berlusconi wittert seine Chance und kündigte an, zur EU-Wahl anzutreten. Der Ex-Premier verweist auf die tiefer werdenden Gegensätze zwischen Lega und M5S sowie die schwelende Krise der Regierung und schlägt Salvini vor, die Allianz mit M5S zu beenden und mit ihm und den faschistischen Fratelli/Brüdern Italiens eine Regierung zu bilden.

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"Faschistischer Jargon", UZ vom 25. Januar 2019



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