Fidel – Revolutionär und Staatsmann

Volker Hermsdorf

Fidel Castro

Basiswissen

Papyrossa-Verlag, Köln 2018

143 Seiten, 9,90 Euro.

In diesen Tagen, in denen die Kubanische Revolution sich zum 60. Mal jährt, ist auch die Erinnerung an ihren vor zwei Jahren verstorbenen historischen Anführer präsenter denn je. Eine gute Gelegenheit, zu fragen: Welche Wirkung hatte Fidel Castro auf seine Zeit?

Der Frage, worin die enorme historische und persönliche Austrahlungskraft von Fidel Castro begründet liegt, widmet sich die kürzlich in der Reihe Basiswissen des Papyrossa-Verlags erschienene Biografie von Volker Hermsdorf. Wie auch schon im Falle der zuvor erschienenen Lebensgeschichte von Raúl Castro hat Hermsdorf mit ihr eine Annäherung an den Verlauf der Kubanischen Revolution aus einer biografischen Perspektive vorgelegt.

Die Frage, was Fidel Castro zu einer derart herausragenden Persönlichkeit machte, hat nicht nur Revolutionäre bewegt. Hermsdorf bringt das Beispiel des früheren französischen Präsidenten Françcis Mitterrand, der sich von Castro mehr beeindruckt sah als von jedem anderen Staatsmann der Welt. Mitterrand erklärte sich dies durch Fidels Sinn für geschichtliche Prozesse und seine Fähigkeit, die Zukunft vorauszusehen. Hermsdorf nimmt in seiner Biografie diesen Gedanken auf und macht anhand der Entwicklung von Fidel zum Revolutionsführer und Staatsmann die Knotenpunkte der kubanischen Revolution sichtbar. Es gehört dabei zum Verdienst des Buches, dass es einige wichtige Fragestellungen kenntlich macht und im gemeinverständlichen Sinne beantwortet, die mit der Rolle von Fidel Castro verbunden sind. So wirft Hermsdorf die Frage auf, ob die Kubanische Revolution eine „Castro-Revolution“ ist und bringt in diesem Zusammenhang einige interessante Überlegungen zur Rolle des Individuums in welthistorischen Prozessen. Die Fragestellung, inwiefern Fidel Castro als der Nachfolger des kubanischen Nationalhelden José Martí gelten kann, verweist nach Hermsdorf insbesondere auf den humanistischen Gehalt der Revolution. Am Beispiel des kubanischen Internationalismus zeigt er aber auch Übergänge zur sozialistischen Tradition auf, die internationale Solidarität weniger als ethisch motiviertes Handeln, sondern als notwendige Voraussetzung der Weltrevolution versteht. Welche Beziehung hatte Fidel Castro zu Moskau? Hier liefert Hermsdorf interessante Details insbesondere zur Abkühlung der Beziehungen, die in seinerVoraussage der sowjetischen Niederlage ihren Tiefpunkt fand. Hermsdorf fragt weiter danach, inwiefern Fidel Castro als Marxist bzw. Leninist gelten kann und bejaht dies vor allem mit Blick auf seine revolutionäre Praxis, in welcher Idee und Tat zur Übereinstimmung gelangten. Sehr erhellend zitiert Hermsdorf dabei eine Idee von Castro, wonach der Marxismus eine revolutionäre Kraft sein müsse, keine pseudorevolutionäre Kirche. In der Praxis habe dies bedeutet, dass Castro sich vor der Alternative „Reform oder Revolution“ für eine revolutionären Weg ohne Kompromisse entschieden habe. Genauso gehöre aber auch zu seinem Lebenswerk, die reale Welt im Rahmen des Möglichen praktisch zu verändern. Lobenswert, dass Hermsdorf in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Einheit Lateinamerikas als strategische Allianz des Antiimperialismus hervorhebt – eine strategische Idee, welche die europäische Linke nicht immer zu durchdringen versteht.

Bemerkenswert ist die große Zahl an Zitaten sozialistischer Klassiker, mit denen Hermsdorf in dieser Biografie arbeitet. Was auf den ersten Blick verwundern mag, ist tatsächlich konsequent, hat Hermsdorf doch ein Buch geschrieben, mit dem die Leserinnen und Leser von einer Faszination für eine schillernde historische Persönlichkeit hin zu einem tieferen Verständnis historischer Abläufe, insbesondere der Theorie und der Praxis von Revolutionen, geführt werden sollen. Dabei hebt der Autor Fidels Fähigkeit, Niederlagen in Siege zu verwandeln, als eine Umsetzung der Ideen des Marxismus-Leninismus par excellence hervor. Und so wird im Laufe der Lektüre deutlich, dass es Hermsdorf nicht in erster Linie um eine Nacherzählung eines prominenten Lebenswegs geht. Vielmehr umtreibt ihn die Frage, auf welche Weise sich heutzutage, angesichts der schwierigen Vorzeichen eines aggressiven globalen Imperialismus und einer schwächelnden sozialistischen Gegenmacht, eine Revolution konkretisieren kann. Dabei liefert Volker Hermsdorf in einem kleinen Büchlein wertvolle Ansätze, die Ideen von Marx, Engels und Lenin für historisch-konkrete Fragestellungen der Jetztzeit fruchtbar zu machen. In diesem Sinne beantwortet Hermsdorf auch die Frage: „Was bleibt von Fidel?“ auf praktische Weise, nämlich, indem er einen wertvollen Beitrag dazu leistet, die Ideen des kubanischen Revolutionärs als Inspiration auch für europäische BNreitengrade lebendig zu halten.

Fidel als Inbegriff revolutionärer Gegenmacht – für diese Ausarbeitung ist Volker Hermsdorf aufrichtig zu danken.

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"Fidel – Revolutionär und Staatsmann", UZ vom 11. Januar 2019



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