Kiew ehrt faschistische Mörder – und belastet damit die Beziehungen zu Polen

Hauptsache gegen Russland

Von Willi Gerns

In einem Interview der polnischen Onlinezeitung „kresy.pl“ mit Jan Zaryn, Senator der regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PIS), betonte dieser kürzlich: „Wir müssen sehr deutlich erklären, dass sie (die Ukrainer – W. G.), die ein europäisches Volk und ein Teil der westlichen Zivilisation sein wollen, begreifen müssen, dass dies so lange nicht passieren wird, solange sie de facto die militärischen Strukturen der OUN-UPA und deren Politik des Genozids rechtfertigen und unterstützen.“ Der Senator weiter: Wenn die Ukrainer heute die Verbrecher rühmen und Denkmäler für sie errichten, so bedeute dies, dass sie bereit seien, solcherart Instrumente auch in Zukunft zu nutzen.

Hintergrund dieser deutlichen Kritik an der Politik der Kiewer Führung sind die grausamen Verbrechen, die von der OUN-UPA während der Besetzung durch Nazideutschland in der Westukraine an der dortigen polnischen Minderheit begangen wurden und als Wolhynien-Massaker in die Geschichte eingegangen sind. Vom Winter bis in den Sommer 1943 hinein, teilweise auch noch später, griffen die ukrainisch-nationalistischen Mörderbanden nach den Berichten Überlebender mit Äxten und Spießen, zum Teil auch mit Feuerwaffen, die polnischen Siedlungen an, steckten die Häuser in Brand und ermordeten Kinder, Frauen und Männer. Selbst Gottesdienste in den katholischen Kirchen wurden überfallen. Höhepunkt war der 11. Juli 1943, an dem 99 Dörfer angegriffen wurden. Insgesamt wird die Zahl der polnischen Opfer in Wolhynien, Galizien und angrenzenden Gebieten auf bis zu 100 000 geschätzt. Der polnische Senat hat vor einigen Jahren die Massaker als „ethnische Säuberung mit den Zügen eines Völkermords“ verurteilt.

Umso unbegreiflicher muss die Tatsache erscheinen, dass die Regierenden in Polen im vergangenen Jahr im Fahrwasser von Washington, Brüssel und Berlin zu den eifrigsten Unterstützern des „Euro-Maidan“ gehörten, und dies auch dann noch, als zunächst berechtigte Proteste von großen Teilen der Bevölkerung gegen das Janukowitsch-Regime von bewaffneten Kräften aus den Reihen der Nachfolger und Verehrer der OUN-UPA-Banditen zu einem Putsch umfunktioniert worden waren.

Das ging so weit, dass der damalige polnische Präsident Bronislaw Komorowski, der am 9. April dieses Jahres zu einem Besuch in Kiew weilte und dort vor den Abgeordneten der Obersten Rada eine Rede hielt, sich dadurch von diesen demütigen ließ, dass sie am gleichen Tag ein Gesetz beschlossen, mit dem die Polenmörder der UPA zu Helden erklärt wurden. In großen Teilen der polnischen Bevölkerung wurde dies als Ohrfeige für Komorowski empfunden. Das hat sein Ansehen nachdrücklich untergraben und sicher zu seiner Niederlage bei den folgenden Präsidentenwahlen beigetragen.

Wenn man nach den Ursachen für das widersprüchliche Verhalten der Regierenden in Polen fragt, so sind zwei Aspekte offensichtlich. Der erste betrifft die Hörigkeit gegenüber den USA und die Einbindung in NATO und EU, die den Putsch unterstützten. Der zweite Grund ist in ihrer tief eingewurzelten Russophobie zu suchen. Der erste mag möglicherweise mit Blick auf die EU unter der neuen Präsidentschaft und der neuen Regierung etwas relativiert werden. Schließlich scheint die PIS zumindest gegenüber Brüssel selbstbewusster auftreten zu wollen. Hinsichtlich des zweiten Grunds, der Russophobie, dürfte wohl eher damit zu rechnen sein, dass die von Hass geprägte Haltung gegenüber Russland unter dem neuen Präsidenten aus den Reihen der PIS und der neuen Regierung unter der Regie von Jaroslaw Kaczynski noch ausgeprägter sein könnte als unter den Vorgängern. Im Vergleich zu Russland sind die ukrainischen Putschisten einschließlich der Ultranationalisten und Neonazis für Kaczynski und sein Gefolge wohl letztlich doch das „kleinere Übel“.

Die eingangs zitierten Aussagen des PIS-Senators sollten darum keine Illusionen wecken, aber doch darauf hinweisen, dass der Wind zwischen Warschau und Kiew möglicherweise rauer werden und die Widersprüche zwischen den Regierenden der beiden Länder zunehmen könnten.

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"Hauptsache gegen Russland", UZ vom 13. November 2015



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