Erinnerung an den Widerstand gegen den Frankfurter Flughafenausbau soll in Mörfelden-Walldorf „abgehängt“ werden

Hauptsache Machterhalt

Aus „Blickpunkt“, Zeitung der DKP für Mörfelden-Walldorf

Wehrt euch!

Der 7. Juni 2016 – ein folgenschweres Datum. Die neue bürgerliche Koalition (SPD, FW, FDP) will ihre tiefgreifende Kehrtwende in der Flughafenpolitik weiter fortsetzen und im Stadtparlament den Antrag durchsetzen, die Banner gegen Flughafenerweiterung und für ein Nachtflugverbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr im ganzen Stadtgebiet zu entfernen. Sorgen wir dafür, dass das nicht ohne Protest über die Bühne geht!

Verschiedene Organisationen und Oppositionsparteien rufen zu einer Kundgebung um 18 Uhr vor dem Walldorfer Rathaus auf. Wir stehen weiter für unsere Forderungen ein! Kein weiterer Flughafenausbau – für ein absolutes Nachtflugverbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, für den umwelt- und sozialverträglichen Rückbau des Frankfurter Flughafens!

Schon kurz nach der Wahl, am 27. April, unterschrieben Alexander Best, Burkhard Ziegler und Carsten Röcken, für die SPD, die Freien Wähler und die FDP einen Antrag, in dem es u. a. heißt: „Der Magistrat wird aufgefordert sicherzustellen, dass alle Banner, Plakate, Schilder sowie vergleichbare Medien, welche Forderungen bezüglich des Flughafens wiedergeben oder diesen anderweitig ablehnen von städtischen Gebäuden und städtischem Gelände, insbesondere den Rathäusern, dem Wasserturm, am Badesee Walldorf usw. bis spätestens Ende Juni 2016 entfernt werden.“

Es geht den drei Spitzenleuten also nicht nur um Banner und Transparente, es geht u. a. auch um „Medien“. Die Stadt hat z. B. ein eigenes Archiv, in dem die Zeit der Startbahn/West-Auseinandersetzung dokumentiert ist. Hinein ihr „Bilderstürmer“, säubert den Laden!

Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) wurde von vielen in Mörfelden- Walldorf auch wegen seines klaren Neins zum weiteren Flughafenausbau gewählt. Wird er jetzt sagen: „Sorry, ich habe euch getäuscht?“

Viele in unserer Stadt greifen sich an den Kopf. „Haben die nichts anderes zu tun?“, wird gefragt. Es geht ja nicht nur um die paar Schilder, es ist eine konservative Retourkutsche – es geht um Machterhalt. Unterstützt von der CDU, der FDP – die sowieso nichts gegen die Flughafenausbaupläne hatte – und den Freien Wählern, will man die reaktionäre Wende vollziehen.

Sichtbare Proteste gab und gibt es auch in anderen Städten. Die frühere Hochburg der Ausbaugegner Mörfelden-Walldorf will sie aber jetzt per Beschluss einer neuen Mehrheit abhängen – das ist eine neue Qualität. Die Banner sind Ausdruck eines Protestes, den die Bevölkerung mehrheitlich teilte. Die Transparente wurden aufgehängt, als es um den Bau der Startbahn/West und um weitere Ausbaumaßnahmen in späterer Zeit ging. Die Bevölkerung protestierte gegen die ungeheure Waldvernichtung dieser Jahre, gegen Fluglärm und Abgase. Dieser Kampf ist noch lange nicht zu Ende.

Die DKP hatte die Anträge für die Transparente an den Ortseingängen und die Großtransparente am Wasserturm initiiert. Schon immer arbeiteten viele Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt auf dem Flughafen. Manche glaubten, ihre Arbeitsplätze seien gefährdet. Aber die meisten Menschen in unserer Stadt waren auch selbst Betroffene und waren besorgt um die Zukunft.

Die Menschen auf den Demonstrationen waren in der Regel nicht gegen den Flughafen, aber sie waren über die ständigen Wucherungen des Flughafens besorgt, über die immer neuen Rodungen zornig und bei Protesten zu finden. Heute haben wir keine Massenstimmung gegen den weiteren Ausbau – aber die Erinnerung an die Massenstimmung früherer Jahre. Deshalb sollten SPD, FDP und Freie Wähler das Thema nicht unterschätzen.

Es sind nicht nur die CDU, die FDP, die FW, denen die Transparente und die Aussagen darauf nicht passen. Wir wissen und haben es nicht vergessen, dass auch in den vergangenen Jahren bei Abstimmungen zum Thema Flughafen einige Mitglieder der SPD-Fraktion regelmäßig den Sitzungssaal verließen, weil sie – am Flughafen arbeitend – sich als „betroffen“ bezeichneten. Das erklärt ein wenig, wie leicht es der SPD offenbar fiel, dem Vorschlag der Freien Wähler zur Transparententfernung zuzustimmen. Wir sollten die neue Situation grundsätzlich betrachten. Der alte Spruch der Bürgerinitiativen „Wer sieht den Ausbau gerne? – Die Banken und Konzerne!“ stimmt nach wie vor. Wenn die Fliegerei zunimmt und Profite winken – wenn man den Flughafen gewähren lässt, wird es neue Flughafen-Metastasen geben. Ein neues Terminal braucht neue Zugangsstrassen, immer wieder wird der Restwald angegriffen.

Die Aufgaben früherer Jahre bleiben also. Wir dürfen deshalb unsere eigene Widerstandsgeschichte nicht in den Dreck treten lassen. Bei allen Vorbehalten, die SPD sollte sich an Kurt Oeser erinnern. Er würde sich im Grab herum drehen! Es sollen ja nicht nur Transparente abgehängt werden – man will die Erinnerung „abhängen“. Man sollte die SPD fragen, ob sie vor Ort immer mehr dem allgemeinen SPD-Trend nach unten folgen will.

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"Hauptsache Machterhalt", UZ vom 27. Mai 2016



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