Zunehmende Planlosigkeit bei den Versuchen, der Krise Herr zu werden

Hilfspakete – große, kleine und keine

Prügel ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) gewohnt. Der enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel fungiert schon länger als Prellbock, wenn Angriffe die Tore des Bundeskanzleramtes bedrohen.

Am 16. Februar war es wieder so weit: Herr Altmeier hatte eingeladen zu einem „Wirtschaftsgipfel“, um sich die Kritik führender Unternehmervertreter am Krisenmanagement der Bundesregierung geduldig anzuhören, dann mit großer Geste Nachbesserung an einigen Stellen und Beschleunigung bei der Auszahlung zu verkünden und anschließend gemeinsam mit den Spitzenvertretern der Unternehmerverbände den Schulterschluss zu demonstrieren. Ganz ging das Konzept nicht auf. Nicht nur hinter den verschlossenen Türen, sondern auch vor den Medienvertretern maulte sowohl der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE) als der des Bundesverbandes der Deutschen Tourismus-Wirtschaft, sie hätten lieber mit Frau Merkel persönlich gesprochen als nur mit ihrem Prellbock.

Ganz unverständlich ist das nicht. Die Zusage, die laut verkündeten Hilfsmittel zügig auszuzahlen, ist nicht mehr so ganz taufrisch – die Ankündigung, die Auszahlung der Gelder zu beschleunigen, ging schon Anfang Dezember durch alle Medien. Auch als Anfang Februar die Bundesregierung abermals 10 Milliarden Euro auf den Milliardenberg an Hilfen draufpackte, riss die Kritik aus dem Unternehmerlager nicht ab. Der Inhaber des Hamburger Cateringunternehmens „Kitchen Guerilla“, Koral Elci, beispielsweise wies am 8. Februar in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auf das Missverhältnis zwischen Verlusten und Verlustausgleichsmitteln hin: „Statt der geplanten 2,7 Millionen Umsatz standen 2020 nur etwas mehr als 900.000 Euro in den Büchern.“ Die staatlichen Corona-Hilfen haben nur einen kleinen Teil der Rückgänge kompensiert. Gut 100.000 Euro Überbrückungshilfe hat Elci bekommen, dazu das Kurzarbeitergeld für die 20 Festangestellten.“

Kitchen Guerilla hält noch durch – aber die Euro-Milliarden haben das Anschwellen von Berichten über bevorstehende oder bereits beantragte Insolvenzen in den Zeitungen nicht verhindern können, obwohl die bis vor einem Jahr geltenden strengeren Regeln für das rechtzeitige Anmelden von drohenden Zahlungsunfähigkeiten deutlich gelockert worden sind.

Das Anrudern gegen diese Insolvenzwelle, die lauten Klagen vor allem der Gastronomie-, Handels- und Touristikunternehmer überdecken allerdings die beiden Hauptmängel all dieser Milliardenaufwendungen: ihre soziale Asymmetrie und ihre Planlosigkeit.

Die Gewerkschaft ver.di hat im Februar in ihren Kurzinformationen „Wirtschaftspolitik aktuell“ zum xten Male darauf hingewiesen: „Gerade Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen trifft die Krise besonders hart“ und kategorisch gefordert: „Mehr für kleine Geldbeutel!“ Aber ob diese Forderung nun sozial begründet und mit berührenden Einzelbeispielen belegt oder – wie das ver.di an der zitierten Stelle tut – mit dem Argument vorgetragen wird, dass die unteren Einkommensklassen Konjunkturhilfen in viel stärkerem Maße direkt in Nachfrage verwandeln als das reichere Haushalte tun: Solche Appelle verhallen in den Fluren des Bundeskanzleramtes ungehört. Während der Lufthansa mit einem Gesamtpaket von 9 Milliarden Euro unter die lahmen Flügel gegriffen wird, ist seit einem Jahr in diesem Land kein Geld aufzutreiben, um die Klassenräume im Winter mit Luftfiltern auszustatten.

Wer dermaßen durch die Krisenmonate stolpert, von dem kann auch niemand einen etwas weiteren Blick zu neuen Horizonten verlangen. Die in den 10er Jahren dieses Jahrhunderts von jedem Allerwelts-Unternehmensberater noch standardmäßig an die Pinwand genagelte Floskel, das chinesische Zeichen für „Krise“ sei dasselbe wie das für „Chance“, ist in der neu entdeckten China-Phobie sowieso schon in der Kiste für zu gefährliche Wortspiele verschwunden. Wahr bleibt es trotzdem – aber die in einer Krise liegenden Chancen zu ergreifen, bedürfte anderer gesellschaftlicher Voraussetzungen als sie hierzulande bestehen. Wären sie geschaffen, ließen sich mit den gegenwärtigen Milliardenprogrammen ganz andere Dinge bewerkstelligen als nur den zum Scheitern verurteilten Versuch zu unternehmen, die Wirtschaftsstruktur vom Februar 2020 irgendwie über die Zeit zu retten: Eine Bildungsinitiative wäre denkbar mit einem großen Schulerneuerungs- und Lehrereinstellungsprogramm und eine ähnliche für das überstrapazierte Gesundheitswesen – und der Kultur würde ein großzügiges Programm vor, in und nach der Krise auch gut tun.

Nichts davon wird es geben – und so wird Herr Altmeier wohl noch einige Male versuchen, für seine Chefin die Kastanien aus dem Feuer zu holen und sich gemeinsam mit ihr taub zu stellen gegenüber den wachsenden Nöten der unteren Klassen.

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"Hilfspakete – große, kleine und keine", UZ vom 26. Februar 2021



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