Hin und Her

Georg Fülberth zum Zuwachs der „Linken“ in Berlin

Georg Fülberth

Georg Fülberth

In Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hat „Die Linke“ 2016 stark verloren, in Berlin am 18. September aber deutlich hinzugewonnen. Bei Landtagswahlen ist diese Partei in der Fläche meist schwach. Im Osten baut sie inzwischen ab, weil die traditionellen SED/PDS-Wähler(innen) ihr dort wegsterben oder nicht wenige von ihnen zur AfD übergehen.

In Berlin hat die Linkspartei schon 2011 Federn gelassen. Ihre gemeinsame Regierungszeit mit der SPD seit 2001 war so enttäuschend, dass sowohl überzeugte Linke als auch diffus Unzufriedene ihr den Rücken kehrten und Nichtwähler(innen) wurden. Hier hatte „Die Linke“ 2016 also nicht mehr viel zu verlieren. Jetzt aber machten zahlreiche Protest-Nichtwählerinnen wieder ihr Kreuz: die einen bei der AfD, die anderen bei der Linkspartei. Soweit Erstere vorher „Die Linke“ gewählt hatten, gingen sie also nicht unmittelbar zu den Rechten über, sondern auf dem Umweg über das Nichtwähler-Reservoir. Die früheren Unterstützer(innen) der Linkspartei, die jetzt zurückkehrten, taten dies wohl nicht deshalb, weil sie deren Bereitschaft zum Mitregieren gut fanden, sondern weil sie ein Zeichen gegen die AfD setzen wollten. Sie waren Symbol-Wähler(innen), die ein Gegengewicht am entgegengesetzten Ende des Spektrums schaffen möchten. Dies war wohl auch ein Motiv von jungen Erstwähler(inne)n. So ist indirekt die AfD sogar zur Wahlhelferin der Linkspartei geworden. Auffällig oft hörte man das Argument, jetzt dürfe man seine Stimme nicht verschenken. (Die DKP sollte sich allerdings ihr schwaches Ergebnis von 0,2 Prozent nicht damit erklären. In Mecklenburg-Vorpommern, wo „Die Linke“ für Viele sogar abstoßend ist, bekam die Deutsche Kommunistische Partei auch nicht mehr.)

In einem Interview mit der „jungen Welt“ sagte die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, ihre Partei habe aus den Fehlern von 2001 bis 2011 gelernt. Gemeint ist wahrscheinlich der Verkauf von öffentlichem Wohnungseigentum. Der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer allerdings ist der Ansicht, man habe damals nicht anders gekonnt, die Stadt sei pleite gewesen. So sieht es auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD): Nur weil man damals privatisiert und stramm gespart habe, könne man jetzt wieder investieren, zum Beispiel im Wohnungsbau. Offen bleibt, ob die Einschnitte von einst dadurch tatsächlich wieder wettgemacht werden können.

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"Hin und Her", UZ vom 7. Oktober 2016



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