Im Freiburger Gemeinderat wirkt eine erfolgreiche linke Liste

Werner Sarbok im Gespräch mit Hendrijk Guzzoni

Hendrijk Guzzoni

Hendrijk Guzzoni

Hendrijk Guzzoni ist seit 1976 Mitglied der DKP und gehörte von 2001 bis 2013 ihrem Parteivorstand an. Aufgehört im Gemeinderat hat er „aus persönlichen Gründen“. Er findet es aber auch richtig, „dass es auch mal Wechsel gibt oder weil ich mehr Zeit für andere, neue Dinge haben wollte, u a. ein Waisenkinderprojekt in Hawassa, Äthiopien …“

UZ: Die Linke Liste Freiburg ist ein recht altes Wahlbündnis. Wie kam es zu seiner Gründung?

Hendrijk Guzzoni: Das Bündnis ist 1984 entstanden, damals als Friedensliste Freiburg. Die Anregung war damals, der Friedensliste, die damals ja bundesweit zu den Bundestagswahlen angetreten ist, auch ein lokales Gesicht zu geben und die Friedenspolitik zu einem Thema der Kommunalpolitik zu machen. Daher war die Friedenspolitik ein politischer Schwerpunkt, aber nicht der einzige. Die Demokratiefrage, BürgerInnenbeteiligung und vor allem Sozial- und Mietenpolitik haben von Anfang an unser Profil ausgemacht.

Im Laufe der Zeit hat sich das Bündnis dann erweitert, es heißt jetzt „Linke Liste – Solidarische Stadt“. Aber wie gesagt, es entstammt ursprünglich der Friedensliste Freiburg vor 32 Jahren.

UZ: An welchen Themen seid ihr zur Zeit besonders intensiv dran?

Hendrijk Guzzoni: Der jüngste große Erfolg, den wir erzielt haben, ist die Einführung eines Sozialtickets für sozial benachteiligte Bürger, Hartz-IV-Empfänger und Niedriglohnbezieher. Für dieses Ticket haben wir zehn Jahre gekämpft.

Ein anderer großer Erfolg gelang uns in der Mietenpolitik. Wir haben im letzten Jahr den Beschluss im Rat durchgesetzt, dass in Neubaugebieten 50 Prozent als geförderter Mietwohnungsbau geschaffen wird. Dieser Beschluss hat meines Erachtens Vorbildcharakter für die ganze Republik. Gerade die neuesten Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, mehr und vor allen Dingen mehr geförderte Mietwohnungen zu bauen.

UZ: Sind die Erfolge nur Ergebnis der Arbeit im Parlament?

Hendrijk Guzzoni: Gerade die Einführung des Sozialtickets ist ein Musterbeispiel. Ohne das neu aufgelegte Bündnis für ein Sozialticket, das zuletzt 15 Monate sehr aktiv war, hätten wir das nicht erreichen können.

Wir haben vor zehn Jahren verhindern können, dass die gesamten städtischen Wohnungen verkauft wurden. Auch das gelang nur mit Hilfe eines breiten Bündnisses, so der Bürgerinitiative „Wohnen ist Menschenrecht“, die dann einen erfolgreichen Bürgerentscheid durchgesetzt hat. Nur im Parlament bewegt man nicht viel.

Manchmal gibt es aber zu Themen überhaupt keine Bewegung. Da liegt es dann an uns, Themen in den Rat und in die Öffentlichkeit zu bringen, du kannst ja schließlich nicht immer auf die außerparlamentarischen Bewegungen warten. Aber klar ist: Die großen Erfolge sind nur mit außerparlamentarischen Aktivitäten möglich.

UZ: Du bist seit Jahrzehnten Mitglied der DKP. Siehst du die Gefahr, dass die DKP in solchen Bündnissen untergeht?

Hendrijk Guzzoni: Ich möchte eines vorausschicken: Es ist uns nicht gelungen, die DKP mit dieser Bündnisarbeit zu stärken. Das ist sehr bedauerlich, wir hatten uns mehr gehofft. Auf der anderen Seite ist der Einfluss, den die DKP oder Mitglieder der DKP haben, deutlich stärker gewesen, als wenn die DKP allein agiert hätte. Vor diesem Hintergrund sehe ich nicht, dass die DKP in einem Wahlbündnis untergeht. Es liegt an uns, an unserer Partei selber, wie stark wir uns in kommunalpolitische Debatten einbringen. Das ist eine viel wichtigere Frage als die Debatte: Soll jetzt die DKP allein auftreten. Wichtig scheint mir, wie stark sich die Partei in lokalen Wahlbündnissen verankert und außerparlamentarische Initiativen dort einbringt – und natürlich in diesen Initiativen selbst verankert ist.

UZ: Du bist nun nach 16 Jahren Mitgliedschaft im Rat ausgestiegen, hast die silberne Stadtmedaille bekommen. Was ist dein Fazit nach diesen Jahren?

Hendrijk Guzzoni: Ich höre ja nicht ganz auf, ich bleibe im Vorstand der Bürgerinitiative „Wohnen ist ein Menschenrecht“, ich bleibe im Vorstand der „Linken Liste – Solidarische Stadt“, ich habe ja lediglich die Arbeit im Gemeinderat beendet.

Für mich hat sich das sehr gelohnt.

Als erstes habe ich sehr viel gelernt. Ich glaube aber auch, dass es politisch sinnvoll und notwendig war. Ich habe anfänglich nicht geglaubt, dass ich für viele Abstimmungen eine Mehrheit im Rat finden würde, es waren dann aber doch mehr, als ich angenommen hatte.

Was aber für mich das Entscheidende war: Ich wollte als Kommunist, dass sich die Öffentlichkeit mit unseren Themen auseinandersetzen sollte, wir wollten mit unseren Beiträgen in die öffentliche Debatte eingreifen. Ich wollte dabei nicht als Lehrmeister auftreten, aber die eigenen Positionen so attraktiv darstellen, dass in der Stadt darüber geredet wird.

Ich glaube, das ist relativ oft gelungen, und ich kann daher alle Genossinnen und Genossen ermutigen, sich in kommunalpolitische Auseinandersetzungen einzubringen, mit eigenen, konkreten Positionen, um die Debatte zu bereichern. Das kann funktionieren.

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"Im Freiburger Gemeinderat wirkt eine erfolgreiche linke Liste", UZ vom 22. Juli 2016



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