Olaf Scholz wird Finanzminister. Der Agenda-Befürworter gilt als „Durchregierer“.

In Schäubles Spur

Von Nina Hager

Die SPD im Kabinett

An Gabriels Stelle soll nun der Saarländer Heiko Maas (Jurist, 51 Jahre) Außenminister werden. Der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil (Politologe, 45 Jahre), zwei Mal auch glückloser Generalsekretär der Partei, wird neuer Minister für Arbeit und Soziales, die bisherige Familienministerin Katarina Barley (Juristin, 49) wechselt in das Bundesjustizministerium. Als neue Familienministerin ist die bisherige Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, Franziska Giffey (Verwaltungsmanagement, Politologin, 39) vorgesehen. Neue Bundesumweltministerin wird die bisherige Generalsekretärin der nordrhein-westfälischen SPD Svenja Schulze (studierte Germanistin und Politologin, 49), die von 2010 bis 2017 Landesministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung war. Michelle-Jasmin Müntefering (Journalistin, 37), seit 2009 mit dem früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering verheiratet und seit 2013 Bundestagsabgeordnete, soll Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt werden und wird damit formal dem Kabinett unter Kanzlerin Merkel angehören.

In dieser Woche soll die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen. Am Freitag der vorigen Woche stellte nun auch die SPD ihre Kandidatinnen und Kandidaten für Ministerposten vor. Der bisherige Hamburger Bürgermeister und kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz soll neuer Finanzminister – und Vizekanzler – werden. Scholz gilt als empathielos, als sturer „Durchregierer“. „Zuhören, andere Meinungen einholen, auf Gesprächspartner zugehen – das kann Olaf Scholz nicht“, erklärte Sabine Boed­dinghaus für die Hamburger Linkspartei anlässlich des Abschieds von Scholz aus der Hamburger Landes- und Stadtpolitik.

Nichts von Neuanfang, neuer Arbeitsminister wird mit Hubertus Heil ist ein ausgewiesener Befürworter der Agenda 2010. Im März 2013 zum 10. Jahrestag bezeichnete er die Agenda als alternativlos. Aber auch Olaf Scholz, der von 2007 bis 2009 im ersten Kabinett Merkel Bundesminister für Arbeit und Soziales war, steht nicht für einen sozialdemokratischen Aufbruch und einen entsprechenden Umbruch der Partei: Sein Credo war und bleibt: „Für Deutschland war unsere Agenda 2010 erfolgreich“, meinte er 2013. Während seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg (2011 bis 2018) hatte er vor allem den Aufschwung der Wirtschaft im Sinn. Sabine Boeddinghaus erklärte: „Olaf Scholz hat sich in den sieben Jahren als Bürgermeister allein an der Wirtschaft orientiert und den Sozialbereich langsam, aber unerbittlich ausgetrocknet. Illustriert wird diese völlig einseitige und unsoziale Ausrichtung zum Beispiel dadurch, dass er in seiner Regierungserklärung zu Beginn der laufenden Wahlperiode die wachsende soziale Kluft in der Stadt, die steigende Armut und insbesondere Altersarmut noch nicht einmal erwähnte.“ Aber nicht nur in der sozialen Frage ist von Scholz nicht viel zu erwarten. Er wird als Finanzminister, so das Koalitionspapier, die Politik von Schäuble fortsetzen.

Sein Agieren vor, während und nach dem G20-Gipfel in Hamburg im vergangenen Jahr sah so aus, dass es Polizeigewalt nach seiner Ansicht nicht gegeben hat.  Trotz aller offensichtlichen Erkenntnisse, selbst aus dem mehrheitlich von seiner SPD dominierten Untersuchungsausschuss beharrt er stur auf seiner Position. Als Hamburger Innensenator im Jahr 2001 setzte er die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln zur Beweis­sicherung bei Drogendealern durch. Ein Mensch kam ums Leben. 2006 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Brechmitteleinsatz als menschenrechtswidrig.

In seine Zeit als Bürgermeister gehören die gescheiterte Olympiabewerbung im Herbst 2015, die richtig viel Geld gekostet hat und von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Die Elbphilharmonie wurde mit viel Geld zu Ende gebaut, gilt jetzt zwar als Tourismusmagnet, aber für die zig-Millionen hätte er sich besser um die marode Infrastruktur seiner Stadt kümmern sollen.  Scholz hinterlässt seinem Nachfolger den Entwurf für den Elbtower, ein Hochhaus, das an den Elbbrücken als architektonisches Gegengewicht zur Elbphilharmonie geplant ist, aber vor allem viele soziale Probleme.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"In Schäubles Spur", UZ vom 16. März 2018



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