Kommunalpolitische Kolumne

Kämpfen in der Krise

Noch sind die Folgen der Coronakrise für die kommunale Ebene unüberschaubar. Allein die Aufzählung der wahrscheinlichen Konsequenzen, würde den Rahmen dieses Textes sprengen und wäre beim Erscheinen dieser Zeitung vielleicht schon wieder veraltet. Stattdessen folgen ein paar ausgewählte Aspekte aus der aktuellen Praxis – Schlaglichter auf die kommunalpolitischen Auseinandersetzungen im Krisenalltag.

In den Kommunen wird derzeit deutlich, welche verheerenden Auswirkungen die Krankenhausschließungen und Versäumnisse der vergangenen Jahre noch mit sich bringen könnten. Eine Umfrage der Zeitschrift „Kommunal“ ergab, dass vor der Pandemie nur ein Fünftel der Kommunen über Notfallpläne verfügte; diese waren nur in einem Viertel der Fälle auch praktisch umsetzbar. Die drohende Katastrophe vor Augen, wird nun vielerorts nach dem ganz großen Schulterschluss gesucht. Es gibt gute Gründe, das politische Engagement vorübergehend in neue Formen zu lenken, auf Versammlungen zu verzichten, Wahlkampfaktionen und Ratssitzungen auszusetzen, aber es gibt keinen Grund, die eigene Parteilichkeit aufzugeben. Auch in der Krise dürfen lange erkämpfte Rechte und Fortschritte nicht geopfert werden.

Zugleich muss der Bevölkerungsschutz höchste Priorität haben. Dabei kommen den Kreisen, aber auch vielen Städten einige Kompetenzen zu: etwa bei der Einrichtung von kommunalen Testzentren oder der Verteilung von vorhandener Schutzausrüstung. Derzeit haben dabei Alten- und Pflegeheime sowie Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe das Nachsehen. Gerade dort, wo viele Menschen der sogenannten „Risikogruppe“ leben, kommen die notwendigen Schutzmittel oft nicht an, finden zu wenige Tests statt. Angestellte und Bewohner sind dem Virus derzeit häufig schutzlos ausgeliefert. Auch die soziale Lage ist prekär. Gerade Menschen mit niedrigen Einkommen und Arbeitslosengeldempfänger sind von der Krise besonders betroffen, weil die Versorgung teurer wird und soziale Netzwerke wegbrechen. Hier gilt es, praktische Solidarität zu zeigen und für die Aufhebung von Sanktionen, Stromsperren und Wohnungsräumungen zu kämpfen.

Die Krise gefährdet auch die demokratische Selbstverwaltung in mehrfacher Hinsicht. Der aktuelle Ausnahmezustand führt zum Erliegen des öffentlichen Austausches und zur massenhaften Absage von Gremiensitzungen. Zunehmend greifen Bürgermeister und Landräte auf sogenannte „Dringlichkeitsentscheidungen“ zurück. Die Gefahr: Beschlüsse aller Art können im Geheimen gefasst werden. Das Recht des Rates, diese zu bestätigen oder zu kippen, dürfte in einigen Wochen nur noch formal existieren, da diese Beschlüsse dann bereits umgesetzt sind. Hier ist erhöhte Wachsamkeit gefragt! Gleichzeitig muss der Blick in die nahe Zukunft gehen: Die Abhängigkeit der Gemeinden von der Gewerbesteuer wird sich in Kürze als Krisenbeschleuniger herausstellen. Mit leichter Verzögerung werden diese Steuereinnahmen einbrechen. Es braucht schnell einen bedingungslosen Rettungsschirm für die Kommunen und neue Regeln für die Gemeindefinanzierung, sonst werden unzählige Kommunen in Haushaltssperren und -sicherungskonzepte rutschen und spätestens dann das Recht auf demokratische Selbstverwaltung für eine sehr lange Zeit verlieren.

All diesen Entwicklungen zum Trotz hält zum Beispiel die NRW-Landesregierung am Kommunalwahltermin für den 13. September fest. Ein aktueller Erlass des Innenministeriums führt aus, dass die verkürzten Fristen „wahlrechtlich unbedenklich“ seien. Doch gerade kleine Parteien werden vor schier unlösbare Aufgaben gestellt, wenn sie in der Krise Unterstützungsunterschriften sammeln sollen, um eine Kandidatur abzusichern. Jeder verlorene Monat macht dabei einen gewaltigen Unterschied. Diese Benachteiligung muss verhindert werden: die Wahlen dürfen erst deutlich nach Ende der krisenbedingten Einschränkungen stattfinden.

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"Kämpfen in der Krise", UZ vom 3. April 2020



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