Auswertung des DGB zu den Wahlen

Kräfteverschiebungen

Von Rainer Perschewski

Auswertungen zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen finden derzeit viele statt. Je nach Couleur fallen sie unterschiedlich aus. Die einen wollen den Zenit der AfD schon erreicht sehen und andere gehen „historisch“ an die Auswertung heran und vergleichen die AfD-Ergebnisse in Sachsen mit dem auch dort begonnen Aufstieg der NSDAP.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund ist die erste Auswertung am Tag nach den Wahlen mit einigen grundlegenden Betrachtungen verbunden. Zunächst wird festgestellt, dass die vergangenen zehn Wahlen zu einer parlamentarischen Kräfteverschiebung in Deutschland geführt hat und zu keiner Trendumkehr. Die Bundesregierung muss sich jetzt beispielsweise bei Gesetzesinitiativen mit den Ländervertretungen im Bundesrat auseinandersetzen, die dieses Bild durch dreizehn unterschiedliche Regierungskonstellationen der Bundesländer widerspiegeln.

Eine Trendumkehr sei es auch deshalb nicht, da langfristige Analysen schon länger deutlich machen, dass das Parteiensystem seit 1990 einem Wandel unterlegen ist, deren neue Formationen noch nicht absehbar seien. Der AfD ist es zwar nicht – wie bei der Europawahl – gelungen, in den beiden Bundesländern zur stärksten gewählten Kraft zu werden, jedoch ist sie ein deutlicher Machtfaktor.

Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Regierungsbildungen und übt damit Handlungsdruck auf die Bundesregierung aus. Im Koalitionsvertrag sind noch einige Vereinbarungen enthalten, deren Umsetzung der DGB fordert. Hierzu gehören beispielsweise die Einbeziehung Selbstständiger in die Rentenversicherung, eine Mindestausbildungsvergütung oder die Abschaffung sachgrundloser Befristung. Der DGB plädiert in der Auswertung daher für eine Fortsetzung der Regierungskoalition bis zum Ende der Legislaturperiode. Ebenso plädiert der DGB Sachsen für die Fortführung der Koalition im Land unter Beteiligung der Grünen.

Eine zweite Analyse beschäftigt sich mit den Wahlverhalten von Gewerkschaftsmitgliedern. Im Gegensatz zu den vergangenen Wahlen haben Gewerkschaftsmitglieder in beiden Bundesländern nicht über dem Durchschnitt rechts gewählt, sondern in Brandenburg eher SPD und „Die Linke“, in Sachsen eher die CDU.

Jedoch bleibt die Frage nach der Verankerung von gewerkschaftlichen Werten innerhalb der Mitgliedschaft offen. Auch in Sachsen und Brandenburg haben Gewerkschaftsfrauen deutlich weniger AfD gewählt als die Gewerkschaftsmänner – etwa die Hälfte. Letztere haben in Sachsen zu mehr als einem Drittel AfD gewählt.

Bei beiden Wahlen hat sich bestätigt, dass der Anteil von Arbeitern und Angestellten bei den Wählern der AfD am größten ist. Das sollte am meisten Sorge bereiten. Es macht deutlich, dass Werktätige insgesamt nicht klar haben, wo ihre Interessen vertreten werden. Profile und Gegensätze klarer zu formulieren muss also das Fazit sein.

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"Kräfteverschiebungen", UZ vom 13. September 2019



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