Streit zwischen Israel und Libanon um Förderung im Mittelmeer

Kriegsrhetorik um Gas

Mit einiger Verzögerung ist jetzt der Inhalt des Entwurfs für ein Abkommen über die Abgrenzung der Förderrechte im Mittelmeer zwischen Israel und dem Libanon bekannt geworden. Vor der Veröffentlichung des endgültigen Vertragstextes sollten allerdings noch Veränderungen am Entwurf des US-Vermittlers Amos Hochstein möglich sein. Der Libanon verlangt einige Änderungen und Klärungen, Israel lehnt ab und will die bereits bestehende Bohrinsel in Betrieb nehmen – auch wenn dies eine „rote Linie“ der Hisbollah überschreitet. Das Pokern geht weiter.

Bereits Anfang Juli war die israelische Bohrinsel im Gasfeld Karish vor Ort und sollte einige Wochen später in Betrieb gehen. Ohne Abkommen zwischen dem Libanon und Israel über die Abgrenzung der Interessen war das für die Hisbollah eine „rote Linie“ – sie drohte mit militärischen Maßnahmen gegen die Bohrinsel und untermauerte die Drohung mit Drohnenflügen, Videos und der Veröffentlichung von Zielkoordinaten. Seitdem heißt es in Israel, die Gasförderung werde aufgenommen, „sobald es möglich“ sei.

Der Libanon wertet den Vermittlungsvorschlag als Erfolg, es gibt aber immer noch einige Streitpunkte, darunter zwei wichtige.
Es gibt eine Bojenmarkierung, die sich 6 Kilometer weit ins Mittelmeer erstreckt und die von Israel beim Abzug aus dem Libanon festgelegt wurde. Die Regierung in Beirut möchte vermeiden, dass diese Linie bei einer Aufnahme in das Abkommen völkerrechtlich verbindlich wird. Bisher wird sie nur „de facto“ anerkannt und ist nicht rechtlich bindend, spätere Änderungen sind also möglich.

Der zweite Streitpunkt ist die Abgeltung der israelischen Ansprüche auf das Kana-Gasfeld, das vom Libanon ausgebeutet werden soll. Wie viel Gas dieses Feld enthält und inwieweit es gewinnbringend ausgebeutet werden kann, ist noch unbekannt. Es liegt zum Teil in israelischen Hoheitsgewässern und der Libanon verlangt, dass Israel mit einer Einmalzahlung abgefunden wird und damit alle Rechte abgibt. Israel dagegen verlangt Lizenzgebühren und damit die Möglichkeit, auf das Geschehen Einfluss nehmen zu können.

Der israelische Ministerpräsident Jair Lapid hat die beiden Forderungen des Libanon als „neu und bedeutsam“ bezeichnet. Er lehnt sie ab und droht mit einem vernichtenden Krieg, würde die Hisbollah ihre Drohung wahrmachen, die israelische Bohrinsel anzugreifen, falls es kein Abkommen gibt. Getrieben wird Lapid von seinem Vorgänger Benjamin Netanjahu, der die Gelegenheit nutzt, um Lapid im Wahlkampf „Schwäche“ vorzuwerfen. Lapid sei vor dem Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, eingeknickt. Lapid wird gegen diesen Vorwurf übrigens mit dem Hinweis verteidigt, er sei nicht vor Nasrallah eingeknickt, sondern vor US-Präsident Joseph Biden. Sollte es ein Abkommen geben, würde Netanjahu sich daran nicht gebunden fühlen, es sei denn, es würde von der Knesset abgesegnet.

Beide Seiten haben kein Interesse an einem Krieg. Zwar wird mittlerweile die Kriegsrhetorik von israelischer Seite ausgeweitet. Doch etlichen Beobachtern gelten die martialischen Aussagen von Verteidigungsminister Benjamin Gantz über die erhöhte Alarmbereitschaft der israelischen Truppen im Norden gar als Hinweis an die Hisbollah, sie solle die Drohungen als Rhetorik im Wahlkampf werten. Dreieinhalb Wochen vor der Wahl ist es schwierig, zwischen echten Sicherheitsinteressen, Manövriermasse für Verhandlungen und Wahlkampf zu unterscheiden.

Anfang der Woche legt US-Vermittler Hochstein den endgültigen Text des Abkommens vor. Der Libanon sei mit dem Ergebnis zufrieden, erklärte Unterhändler Elias Bou Saab. Eine offizielle Erklärung der israelischen Regierung lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

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"Kriegsrhetorik um Gas", UZ vom 14. Oktober 2022



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