Kultursplitter

Bewerbung

Das den meisten bekannte „Steigerlied“, gerne auch verklärt als das genuine Lied der Bergleute, soll offizielles Kulturerbe Deutschlands werden. Das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kuturerbes listet so manche Kuriosität auf: Den „Pfingsttanz“ aus dem Mansfelder Land, die Alpwirtschaft im Allgäu, die „Sternsinger“ am Dreikönigstag und auch den rheinischen Karneval. Nun also die Hymne auf die harte und gefährliche Arbeit tief unter Tage, gerne auch „Auf Schalke“ zu Bundesligaspielen intoniert und zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit in den alten Kohlerevieren gesungen. Im Lied wird eine Haltung beschworen, die die Energiekonzerne gerne sahen: „Wir Bergleut‘ sein kreuzbrave Leut“. Dass die Zahl der Toten im Bergbau entsetzlich lang ist, die schweren Verletzungen und langfristigen Folgen für die Gesundheit der Kumpel – wie die Staublunge – unermesslich hoch sind, davon kein Wort im beschönigenden Lied und natürlich auch nicht in der Bewerbung der RAG-Stiftung, die der Unesco-Kommission den Vorschlag unterbreitet hat.

Befremdlich

Hoffentlich heftiger Protest ist vorhersehbar. Nicht nur Bernd Lucke, der sich an der Universität Hamburg wieder einbringen will, erlebte bei seinem Auftritt, dass er nicht erwünscht ist. Unser Altbundespräsident Joachim Gauck übernimmt im Wintersemester 2019/2020 eine Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Die Uni meint in ihrer Begründung, Gauck stehe „für Interdisziplinarität und den Dialog zwischen den Generationen, Kulturen und Milieus“. Mindestens hanebüchen, diese Fähigkeiten gingen dem Pastor im Bomberjäckchen während seiner Amtszeit völlig ab. Er gab früh die Richtung vor, die seitdem dafür steht, dass „Deutschland wieder Verantwortung übernehmen muss“. Starten will Gauck mit einer öffentlichen Vorlesung am 7. November mit dem Thema „Die plurale Gesellschaft – Gewinn und Verunsicherung“. Dummdreist, die salbungsvolle Sonntagsrede, die zu erwarten ist. Weitere Veranstaltungen sollen folgen, ob es dazu kommen wird, hängt sicherlich davon ab, wie der Herr von den Studierenden empfangen wird und ob ihn das Schicksal von Bernd Lucke ereilt.

Beschämend

Die Ausgaben für die öffentlichen Bibliotheken, hauptsächlich Stadtbüchereien, Stadtarchive Landes- und Bundesbibliotheken, seien gestiegen. Das meldet das Statistische Bundesamt und nennt zur Begründung, dass zwischen 2005 und 2015 rund 1,5 Milliarden Euro aus den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen gezahlt wurden. Soll aber auch heißen, jährlich waren es dann im Schnitt nur noch 150 Millionen Euro, und das für rund 10 000 Einrichtungen im Lande. Die im Schnitt 15 000 Euro für die einzelne Bücherei mussten dann reichen für Neuanschaffungen, zusätzliche Arbeitsplätze und Lernen und Forschen. Ist nicht mehr viel, wenn pro Jahr über 120 Millionen Besucher über alle Bibliotheken gezählt werden. Noch nicht mal die Hälfte aller Kommunen hat überhaupt eine Bücherei, die Kosten für Unterhalt und Personal neben Bestandspflege und Modernisierung sind ob der klammen Kassen oftmals zu hoch. Die Bürgerinnen und Bürger sind aufgeschmissen, müssen weite Wege in Kauf nehmen oder es eben ganz sein lassen. Die aktiven Büchereien leisten Wichtiges für die kulturelle Bildung der Bevölkerung, nicht nur die Ausleihmöglichkeiten, sondern auch Sprachkurse, Workshops zur Medienkompetenz, Lesungen und vieles mehr sind fester Bestandteil ihres Angebots. Aber mit den Summen, die oft nur nach langen Debatten in den Haushaltsberatungen „gewährt“ werden, können die berechtigten Ansprüche der Menschen nicht befriedigt werden.

Herbert Becker

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Kultursplitter", UZ vom 1. November 2019



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