Lindenstraße

Von MD

Erst der schleichende Rückzug von Mutti Merkel und jetzt auch noch das: Die Lindenstraße wird eingestellt. Nach 35 Jahren. Kein sonntägliches Verzweiflungs-Spiegelei mehr mit Mutter Beimer – die Nation wird mutterlos.

Wie soll der Sonntag nun werden ohne Klausi, Anna, Gabi, Vassili und Co.? Ohne die Titelmelodie der Lindenstraße wird der Sonntagabendblues keinen rechten Soundtrack haben, die Tatort-Erkennungsmelodie eignet sich wenig. Um 20 Uhr 15 hat man sich mit dem Schicksal, dass auf den Sonntag ein Montag folgt, meistens schon abgefunden.

Ein wenig in die Jahre gekommen wirkte diese eigentümliche deutsche Telenovela, die sich aber doch nach wie vor um aktuelle Themen bemüht. Der erste schwule Kuss im deutschen Fernsehen, der erste Aidstote, aktive Sterbehilfe, Leihmutterschaft und Abtreibung taugen heute nicht mehr so sehr zum Aufreger wie in früheren Jahren, aber in der Serie kommen doch Themen zur Sprache, die im Wohlfühlfernsehen sonst auf der Strecke bleiben. In der Lindenstraße leiden die Menschen unter Mietwucher und Gentrifizierung, verstecken Flüchtlinge und geraten mit neuen und alten Nazis aneinander. Wahlergebnisse und Castor-Transporte werden kommentiert und manchmal auch Dinge beim Namen genannt (zum Beispiel wenn Helga Beimer die AfD, sehr zu deren Verdruss, fremdenfeindlich nennt). Dass die AfD die Lindenstraße gern als Beispiel aus dem Bereich Unterhaltung bemüht, wenn sie von Öffentlich-Rechtlicher Propaganda faselt, ist fast ein Grund, gegen die Einstellung zu sein.

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"Lindenstraße", UZ vom 23. November 2018



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