Vorabdruck aus UZ vom 25. Februar 2022

Minsker Vereinbarungen

Am 5. September 2014 wurde in Minsk das Minsker Protokoll (Minsk-1) von einer aus der OSZE, der Ukraine und Russland bestehenden Kontaktgruppe ausgehandelt. Ziel war eine friedliche Regelung des Konflikts zwischen der Ukraine und den Volksrepubliken des Donbass. Der Konflikt war dadurch entstanden,dass die Verwaltungsbezirke Donezk und Lugansk, die nach einem nationalistischen Staatsstreich in der Ukraine ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, von der Ukraine in Rahmen einer „Antiterroroperation“ mit Truppen angegriffen worden waren. Ziel der Verhandlungen war hauptsächlich ein Waffenstillstand, dessen Überprüfung durch die OSZE, gegenseitiger Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und dem Donbass, eine Amnestie sowie eine Föderalisierung der Ukraine.

Die Volksrepubliken des Donbass nahmen dieses Dokument durch Unterschriften von Alexandr Sachartschenko und Igor Plotnizkij zur Kenntnis, die damals Ministerpräsidenten der Donezker beziehungsweise Lugansker Volksrepublik waren, sie waren an den Verhandlungen aber nur als Beobachter beteiligt.

Die in Minsk-1 festgeschriebenen Ziele, selbst ein kurzfristiger Waffenstillstand, wurden nicht erreicht, die Angriffe der Ukraine auf den Donbass und die Kämpfe gingen weiter.

Wenn heute von den Minsker Vereinbarungen gesprochen ist, ist Minsk-2 gemeint, das am 12. Februar 2015 zwischen dem Französischen Präsidenten François Hollande, der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko ausgehandelt und unterzeichnet wurde. Die Volksrepubliken des Donbass nahmen an den Verhandlungen nicht teil, wurden aber konsultiert, und nahmen die Ergebnisse durch die Unterschrift ihrer Staatsoberhäupter zustimmend zur Kenntnis. Sie beziehen sich seitdem positiv auf deren Umsetzung. Dieses Abkommen wurde durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrats in den Status eines völkerrechtlich verbindlichen Dokuments erhoben.

Der in einer bestimmten Reihenfolge umzusetzende Maßnahmenkatalog von Minsk-2 umfasst als wichtigste Punkte:

  • Waffenstillstand
  • Abzug schwerer Waffen
  • Monitoring durch die OSZE
  • Verhandlungen zwischen der Ukraine und den Volksrepubliken des Donbass über die Festlegung von Modalitäten für Kommunalwahlen in den Volksrepubliken
  • Gefangenenaustausch
  • Amnestie für alle Beteiligten
  • einen besonderen Status des Donbass.

Die Amnestie, die Modalitäten für die Wahlen und der besondere Status für den Donbass müssen in Gesetzen beziehungsweise in der ukrainischen Verfassung festgehalten werden, beides muss zwischen der Ukraine und dem Donbass vereinbart werden. Im Maßnahmenkatalog sind Kriterien für den besonderen Status des Donbass festgelegt, diese sehen unter anderem eine eigene Außenpolitik, ein eigenes Bildungswesen, ein eigenes Gerichtswesen und eigene Streitkräfte (die Volksmilizen) für den Donbass vor. Erst nach Umsetzung all dieser Regelung, sollte die Ukraine die Kontrolle über die Grenzen zwischen dem Donbass und Russland zurückerhalten.

Minsk-2 sieht also eine Lösung des Konflikts über Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien vor, Russland, Frankreich und Deutschland übernehmen nur Garantien für die Umsetzung. Ziel der Vereinbarung war es, zu erreichen, dass die Ukraine mit dem Donbass unmittelbar verhandelt.

In Minsk-2 ist festgehalten, dass dieser Prozess bis Ende 2015 abgeschlossen sein sollte.Seitdem finden regelmäßig Gespräche im Rahmen der Minsker Kontaktgruppe statt, an denen die Konfliktparteien die OSZE und die RF als Vermittler beteiligt sind. Die Umsetzung hat jedoch bis heute praktisch nicht begonnen, da die Ukraine jeden direkten Dialog mit den Vertretern des Donbass ablehnt und sich insbesondere weigert, die Gesetze und Verfassungsänderungen mit dem Donbass zu vereinbaren. Selbst ein Koordinationsmechanismus zwischen den Konfliktparteien zur Reaktion auf Verletzungen des Waffenstillstands ist nach seiner Einrichtung von der Ukraine boykottiert worden, da dieser eine direkte Zusammenarbeit der Konfliktparteien vorsieht. Die einzigen realen Ergebnisse waren einige Gefangenenaustausche zwischen den Konfliktparteien. Zahlreiche vereinbarte Waffenstillstände wurden von der Ukraine nach nie mehr als zwei oder drei Tage gebrochen.

Die Ukraine hat praktisch von Anfang an auf eine Sabotage von Minsk-2 hingearbeitet beziehungsweise auf deren Revision, da sie die weitgehende Autonomie, die im Grunde auf eine Konföderation mit dem Donbass hinausläuft, nicht akzeptiert, auch wenn diese Regelungen von Poroschenko nach schwerwiegenden militärischen Niederlagen gegen den Donbass unterzeichnet wurden. Inzwischen wurden in der Ukraine auch Gesetze beschlossen, die „Minsk-2“ direkt widersprechen.

Die Volksrepubliken des Donbass hingegen haben die Minsker Vereinbarungen akzeptiert, sie allerdings immer so interpretiert haben, dass ihre – durch die Referenden bestätigte – Souveränität nicht zur Disposition steht und dass es um eine friedliche Koexistenz mit der Ukraine mit bestimmten vertraglichen Bindungen gehe.

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