Nach dem Berufsverbot

Olaf Matthes im Gespräch mit Kerem Schamberger

Kerem Schamberger musste im Sommer – wie jeder Bewerber an einer bayerischen Uni – in einem Fragebogen seine Verfassungstreue nachweisen. Weil er DKP-Mitglied ist, schickte die Münchener Uni eine Anfrage an den Verfassungsschutz. Die Einstellung Kerems verzögerte sich vom 1. Oktober bis zum 1. Januar.

UZ: In den letzten Monaten haben ein Geheimdienst, dein möglicher Arbeitgeber und mehrere Zeitungen untersucht, ob du treu zur Verfassung stehst. Macht das Angst?

Kerem Schamberger: Nein, Angst macht es nicht. Es bestätigt mich darin, politisch weiterzuarbeiten, weil ich prinzipiell von diesen Stempeln „verfassungstreu“ und „nicht verfassungstreu“ nicht sehr viel halte. Deshalb macht es mir keine Angst, es verärgert mich.

UZ: Was haben diese Stempel für eine Bedeutung?

Kerem Schamberger: Für mich haben sie keine Bedeutung. In der ganzen Geschichte der Bundesrepublik hat es Diskussionen über das Grundgesetz gegeben, das Grundgesetz ist ein juristischer Ausdruck gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse. Deshalb bedeutet „verfassungstreu“ auch je nach den Kräfteverhältnissen etwas anderes. Das ist nicht der geeignete Maßstab, um Leute in den öffentlichen Dienst zu lassen oder nicht. Für mich geht es um die Frage, ob jemand nationalistische, rassistische oder antisemitische Ideologien vertritt oder nicht.

UZ: Für dich hing aber von diesem Stempel ab, ob du in dem Beruf arbeiten kannst, in dem du arbeiten willst.

Kerem Schamberger: Eben weil es davon abhing war es wichtig die ganze Sache zu skandalisieren. Ich habe gemerkt, dass es kein Verständnis für Berufsverbote gibt. Als hätte die Polizei oder der Verfassungsschutz nichts Besseres zu tun, als einen Kommunisten von einer Stelle an der Uni fernzuhalten und dafür auf dem rechten Auge blind zu sein – Stichwort Reichsbürger und andere rechtsextreme Gruppen.

UZ: Wie waren diese drei Monate, in denen du deine Stelle nicht antreten konntest, weil der Verfassungsschutz blockiert hat?

Kerem Schamberger: Die waren ziemlich anstrengend. Ich musste die Medienanfragen abarbeiten und auf Solidaritätsbekundungen reagieren, wollte dem Verfassungsschutz aber nicht den Gefallen tun, politisch und wissenschaftlich nicht aktiv zu sein. Ich habe also an meinem Exposé für die Doktorarbeit gearbeitet, ich habe die Parteiarbeit weitergemacht. Das war eine unruhige Zeit – ich hatte erst an den Weihnachtsfeiertagen die Zeit, wirklich darüber nachzudenken und war ziemlich erschöpft.

UZ: Wie war es, die Stelle anzutreten?

Kerem Schamberger: Als ich eingestellt worden war haben mir manche Leute gratuliert und gesagt: Das ist aber ein schönes Weihnachtsgeschenk. Ich habe das nicht als Geschenk gesehen, sondern als ein Recht, das ich mir erst erkämpfen musste. Die Uni hat mir nicht eine Stelle geschenkt, sondern sie hat endlich den Mitarbeiter, den das Institut haben wollte, eingestellt. Sie hat damit nur eine Unverschämtheit beendet, die drei Monate angehalten hat und vom Verfassungsschutz ausging.

UZ: Nachwuchswissenschaftler kriegen häufig nur befristete Arbeitsverträge – musst du in zwei Jahren wieder einen Verfassungstreuebogen ausfüllen?

Kerem Schamberger: Meine Stelle ist jetzt auf zweimal drei Jahre befristet. Wenn ich an dieser Stelle bleibe, muss ich diesen Bogen nicht nochmal ausfüllen. Eine andere Sache ist es, wenn ich in Bayern an eine andere Stelle im öffentlichen Dienst wechseln will – das habe ich nicht vor, aber man weiß ja in der Wissenschaft nicht genau, was auf einen zukommt. Dann fängt dieser ganze Prozess wieder von vorne an.

UZ: Es gibt nur wenige Fälle von Berufsverboten für Linke, die öffentlich werden. Ist dein Fall ein Einzelfall?

Kerem Schamberger: Ich habe auch von anderen Leuten gehört, die bei der Einstellung im öffentlichen Dienst in Bayern Probleme hatten – das waren keine DKPler, sondern zum Beispiel Mitglieder der Linkspartei. Die haben diese Unverschämtheit aus verschiedenen Gründen nicht öffentlich gemacht. Ich finde, mein Beispiel zeigt, dass man so etwas auf jeden Fall öffentlich machen muss, um ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass solche Ungerechtigkeiten nach wie vor bestehen.

UZ: Wie gehen die Aktivitäten gegen den Verfassungstreuebogen jetzt weiter?

Kerem Schamberger: In München hat sich ein „Bündnis gegen Gesinnungsschnüffelei“ gebildet, aus GEW- und ver.di-Gliederungen, auch die DKP und andere Gruppen sind dabei. Das Bündnis versucht auf einer politischen Ebene darauf hinzuwirken, dass der Verfassungstreuebogen abgeschafft wird und zu sagen: Dass Kerem Schamberger eingestellt worden ist, ist ein Erfolg, aber das heißt nicht, dass wir jetzt klein beigeben. Das Damoklesschwert des Berufsverbots hängt immer noch über den Köpfen kritischer Menschen.

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"Nach dem Berufsverbot", UZ vom 13. Januar 2017



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