Gut gemeint, schlecht gemacht – die Serie „Nudes“

Nackig im Netz

Teenager zu sein ist mindestens schwierig, manchmal auch gefährlich. In der Kombination aus Alkohol, Smartphones und Internet liegen Möglichkeiten der Entblößung und des Entblößtwerdens, die man sich, dem schwierigen Alter entronnen, lieber nicht so genau vorstellt. (Mein Teenager-Ich wäre auf der Stelle vor Scham gestorben, wenn jemand betrunkene Peinlichkeiten von mir auf einer Party auch nur gefilmt hätte, von den angeblich so sozialen Netzwerken und Nudes war damals zum Glück noch nicht mal die Rede.)

Eigentlich löblich also, was „Nudes – Nackt im Netz“, die zehnteilige norwegische Miniserie, die nun auch in der ARD-Mediathek zu sehen ist, will: Warnen, ein bisschen klüger mit Nacktfotos von sich umzugehen als das gedankenlose und risikofreudige Heranwachsende anscheinend tun. Leider scheitert die Serie gleich auf mehreren Ebenen.

Mit der Machart der Serie wird sich kein mit Netflix und Co. aufgewachsener Mensch hinter dem Ofen vor locken lassen, die bemüht daherkommende Teenie-Perspektive endet in plumper Ansprache, wenn Jørgen Færøy Flasnes, Liv Joelle Barbosa Blad und Erika Calmeyer (Drehbuch) die Geschichten von Sofia, Victor und Ada erzählen. In die Geschichten dieser drei jungen Menschen ist die Serie aufgeteilt.

Der 14-jährigen Ada ist langweilig, also gibt sie sich auf einer Dating-Plattform als 16 aus und schickt dem neu gefunden Schwarm auch gleich auf die erste Aufforderung ein paar Bilder. „Noch eins ohne BH, bitte!“ ist alles, was er an Überredungskunst aufbringen muss. Natürlich sitzt am anderen Ende kein Teenie, sondern ein erwachsener Päderast, der Geld, mehr Bilder und Sex von ihr erpressen will. Hier ist die Serie, sollte sich doch eine Heranwachsende bis zu „Adas Story“ durchkämpfen, noch am ehesten hilfreich, denn die Botschaft lautet: Erzähl es. Wenn schon keinem Erwachsenen, dann wenigstens deinen Freunden. Die Scham beim Erzählen kann nicht schlimmer sein als alles,was bei dem Versuch, allein klarzukommen, passieren kann.

Gegen den 18-jährigenViktor wird hingegen als Täter ermittelt. Er hat betrunken auf einer Party zwei Menschen beim Sex gefilmt und das Filmchen bei Snapchat hochgeladen und nach 10 Minuten wieder gelöscht. Jetzt soll er wegen Kinderpornografie dran sein, denn das Mädchen auf dem Video war erst 17. Viktors Schuldeinsicht entwickelt sich zögerlich bis gar nicht und auch seine Freunde sind eher entsetzt darüber, dass so etwas zur Anzeige kommt. Nur leise kommentiert Viktors Freundin die Tatsache, dass er das Video auch noch rumgeschickt hat, Solidarität mit männlichem Fehlverhalten und der unter Umständen zerstörten Zukunft des armen Jungen stehen im Vordergrund.

Ganz schlimm kommt aber gleich die Einstiegsgeschichte „Sofias Story“ daher. Sofia hat auf einer Party Sex. In einem kleinen Gartenhäuschen mit dem Typen, in den sie verknallt ist. So weit, so normal. Doch auch Sofia und Axel werden – durch ein Fenster – gefilmt und der Film im Netz verbreitet. Danach geht Sofia durch die Hölle. Von Beschimpfungen als Hure über „Können wir auch mal?“-Anfragen bis zu Mitschülern, die ihr ins Gesicht sagen, wie oft sie zu dem Video masturbiert haben, ist alles dabei. Zum Schluss erfährt Sofia, wer das Video gemacht hat, entscheidet sich gegen eine wie auch immer geartete Bestrafung der Person und beschließt alles „hinter sich zu lassen“. Und die Moral von der Geschichte? Die ist leider an Ekelhaftigkeit kaum zu überbieten. Hätte Sofia sich mal benommen, keinen Alkohol getrunken und keinen Sex gehabt, dann wäre ihr auch nix Schlimmes passiert. m. Und wer keinen kurzen Rock anzieht, wird auch nicht vergewaltigt.


Nudes – Nackt im Netz
Regie: Liv Joelle Barbosa Blad
Buch: Jørgen Færøy Flasnes, Liv Joelle Barbosa Blad, Erika Calmeyer
Bis 17.9. in der ARD-Mediathek


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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Nackig im Netz", UZ vom 27. August 2021



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