Zu Künstlicher Intelligenz und dem EU-Parlament

Nett

Der Hype um Anwendungen, die Künstliche Intelligenz (KI) versprechen, ist ungebrochen. Die Hoffnungen, aber auch die Ängste, die man mit KI verbindet, sind groß. Wie beeindruckend durch KI-bearbeitete Videos oder ChatGPT-4 einem auch vorkommen, handelt es sich bisher doch nur um reines Maschinenlernen. Alles andere sind Zukunftsvisionen.

Unter anderen Umständen könnte KI ein Segen für die Menschheit sein. Unter den vorherrschenden Verhältnissen verspricht KI Überwachung, Massenarbeitslosigkeit bei gleichzeitiger verschärfter Ausbeutung und Kriege in noch nicht dagewesenem Ausmaß. Mehr hat der Kapitalismus heute nicht mehr zu bieten. Darüber sind sich jetzt nach langem Ringen die Systemsachwalter in Brüssel einig. Die Aussicht auf schwindelerregende Profite und das Versprechen, diese „Zukunftstechnologie“ sei der Jungbrunnen für ein viel zu alt gewordenes Monstrum – die „Spinning Jenny“ für den digitalen Kapitalismus – wird jedoch stärker sein als ein gut gemeintes Gesetz, sollte die EU-Kommission dem Vorschlag des EU-Parlaments überhaupt folgen. Die Konkurrenz wird dafür sorgen.

Die Konkurrenz auf dem KI-Markt ist mindestens so groß wie die Hoffnungen und Ängste rund um KI. Aus einst idealistischen, weltverbessernden Kreativschmieden wie OpenAI, den Machern von ChatGPT-4, werden über Nacht die größten Anbeter des Privateigentums an Produktionsmitteln. „Der Wettbewerb da draußen ist halt groß.“ Man habe zu viel Arbeit investiert, um nun der Konkurrenz das Rezept zu überreichen, kommentierte Ilya Sutskever, Technischer Leiter von OpenAI, die Entscheidung seines Unternehmens, den Quellcode nicht mehr öffentlich zu stellen. Als Reaktion ging ein von Elon Musk mitinitiierter offener Brief an die Presse, in dem ein zeitweiser weltweiter Stopp der KI-Entwicklung gefordert wird. „Mächtige KI-Systeme sollten erst dann entwickelt werden, wenn wir zuversichtlich sind, dass ihre Auswirkungen positiv und ihre Risiken kontrollierbar sind“, heißt es darin. Wann das sein soll, darüber schweigen sich die Verfasserinnen und Verfasser aus. Den Sozialismus meinen sie wahrscheinlich nicht.

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"Nett", UZ vom 23. Juni 2023



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