Die Bambi-Verleihung steht oben auf der Liste überflüssiger Events

Nicht einfrieren!

Von Birgit Gärtner

Laut Eigendefinition ist der jährlich von „Burda Media“ verliehene Medien- und Fernsehpreis für „Menschen mit Visionen und Kreativität“ bestimmt. Doch die am Donnerstag vergangener Woche in der ARD übertragene „Bambi“-Verleihung vermittelte den Eindruck, als sei es um die Kreativität nicht gut bestellt, von Visionen ganz zu schweigen.

Die Show begann mit einem musikalischen Beitrag, der auf den Hang zum schlechten Timing deutete, der den Abend weiterhin prägen sollte. Der „Bambi“ in der Kategorie „Musik National“ ging an die auf dem Privatsender „Vox“ ausgestrahlte und von Xavier Naidoo koproduzierte TV-Show „Sing meinen Song“. Bei dem Format treffen sich auf Einladung Naidoos Künstlerinnen und Künstler, die umschichtig Liedgut der jeweils anderen vortragen. An dem Abend hatte sich die Riege auf das Lied „Auf uns“ von Andreas Bourani geeinigt. Das hatte die ARD 2014 zum Song für die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien erkoren, von der die deutsche Elf als „Weltmeister der Herzen“ zurückkehrte – natürlich empfangen mit dem Bourani-Song. Ganz schlechtes Timing, kurz nach der Großrazzia, wo doch der DFB vermutlich bald mehr Mitglieder im Knast hat als Spieler auf dem Rasen … Abgesehen davon ist es fragwürdig, ausgerechnet einen Künstler mit bekanntermaßen rechter Attitüde auszuzeichnen. Der Maestro selbst war nicht zugegen, er konzertierte mit der Band „Die Söhne Mannheims“. Aber die Lichtgestalt aus dem Kurpfälzischen wurde virtuell in Szene gesetzt.

In der Kategorie „Fashion“ wurde Heidi Klum ausgezeichnet, deren Casting-Show „Germanys Next Topmodel“ (GNTM) scharf kritisiert wird, unter anderem weil sie eine destabilisierende Wirkung auf das Selbstbewusstsein weiblicher Teenager habe.

Der größte Missgriff allerdings war die Auszeichnung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit dem Milleniums-Bambi. Der hatte zwei Tage vorher eine regelrechte Lawine losgetreten. Während Laudator Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), langatmig dessen Verdienste – Einheitsvertrag, Bankenrettung, Griechenland-Krise – lobte, diskutierten andere Medien die Forderung nach Schäubles Rücktritt.

Trotz des Lobs hatte Schäuble eine bittere Pille zu schlucken: der Schauspieler Dieter Hallervorden, der gemeinsam mit Til Schweiger für den Film „Honig im Kopf“ ausgezeichnet wurde, nutzte seine Dankesrede, um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Haltung in der Flüchtlingspolitik zu loben. In dem Moment schwenkte die Kamera auf Schäuble, der ziemlich gequält dreinschaute.

Der „Bambi“ in der Kategorie „Stille Helden“ ging an die unzähligen freiwilligen Helferinnen und Helfer für ihren Einsatz für die Flüchtlinge. Dazu wurde ausgerechnet Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel als Laudator aufgeboten, der sich offenbar von seinen Gesprächen mit den „besorgten Bürgern“ loseisen konnte. Das Ständchen dazu kam von Peter Maffay, der jüngst mit dem Vorschlag Furore machte, die Flüchtlinge das Grundgesetz unterschreiben zu lassen.

Zu den wenigen Highlights gehörte unbestreitbar die Auszeichnung des Österreichers Tobias Moretti als bester Schauspieler für seine Rolle als Gestapo-Chef Rudolf Diels in Matti Geschonneks großartigem Film „Das Zeugenhaus“. Darin beleuchtet der Sohn des KZ-Überlebenden Erwin Geschonnek einen bislang unbeleuchteten Nebenaspekt der Nürnberger Prozesse: In dem „Zeugenhaus“ waren nämlich Nazi-Größen, Mitläufer, jüdische Menschen und solche aus dem Widerstand bunt zusammengewürfelt. Geschonnek hat ein illustres Schuspielerteam versammelt: neben Moretti u. a. Iris Berben, Gisela Schneeberger und Matthias Brandt.

Eine gute Idee war es auch, den irischen Musiker Rea Garvey mit dem „Bambi“ in der Kategorie „Unsere Erde“ für ein Wasserprojekt in Ecuador auszuzeichnen.

Den „Bambi“ in der Kategorie „Integration“ erhielt das Projekt „Kick im Boxring“ von Thomas Jansen, der mit Jugendlichen in Berlin-Neukölln arbeitet. Quasi der Gegenentwurf zu Heinz Buschkowsky.

Erfrischend sympathisch wirkte die als beste Schauspielerin ausgezeichnete Henriette Confurius. Die 23-Jährige hatte sich dem Mode-Diktat verweigert – frau trug wallende Robe – und kam schlicht in Hose und Pullover.

„Wer friert uns diesen Moment ein?“ lautet die erste Zeile des Bourani-Songs. In Bezug auf die diesjährige Bambi-Verleihung bleibt zu hoffen: niemand! Bloß nicht, sonst wird sie womöglich nächstes Jahr wieder aufgetaut und aufgewärmt und – kaum vorstellbar – noch schlechter. Wenn Burda Media tatsächlich an den Flüchtlingen so gelegen ist, dann sollte die Pomp-Veranstaltung nächstes Jahr einfach gestrichen und das Geld direkt an Flüchtlingsprojekte gespendet werden.

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"Nicht einfrieren!", UZ vom 20. November 2015



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