Bei der Fussball-WM in Russland sind weitere Provokationen nicht ausgeschlossen

Nicht nur Vorfreude

Von nh

Am Donnerstag dieser Woche war der Anpfiff zum ersten Spiel der Fußballweltmeisterschaft. Gastgeber Russland traf auf Gruppengegner Saudi Arabien. Selbst hierzulande überwog kurz vor der WM in der Berichterstattung der meisten Medien eine gewisse Vorfreude. Die Debatten über ein Boykott sind längst verstummt. Was hätte das gebracht? Die Beziehungen mit Russland hätten sich eventuell weiter verschlechtert. Daran haben Teile der Wirtschaft und der Politik offensichtlich kein Interesse. Zudem hätte man hierzulande Millionen Fußballfans total verärgert. Und auch die vorher immer wiederkehrenden Vorwürfe gegen Russland – Doping, Skripal, Abschuss der MH-17 über der Ostukraine noch der jüngst durch den ukrainischen Geheimdienst vorgetäuschte Mord am  russischen Journalisten Babtschenko sind etwas in den Hintergrund gerückt. Statt Russland die Schuld zuzuschieben, geriet im Fall Babtschenko die Ukraine wegen der Täuschung in die Kritik. Zugleich wurde auch in den Wochen vor der WM immer noch darüber diskutiert, ob führende bundesdeutsche Politiker oder gar die Kanzlerin nach Russland fliegen und Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft besuchen sollten.

In den Medien werden inzwischen Vorurteile und Verurteilungen weitaus geschickter vorgebracht; es gibt sie, aber sie werden meist „gut verpackt“: Es wird über Land und Leute berichtet, dann auch über die Schwierigkeiten für „unabhängige“ Medien, über Dissidenten, Verhaftungen und Verfolgungen. Gleichzeitig wird gezeigt, welch schöne Stadien entstanden sind und welche neuen Verkehrsanbindungen. Die Euphorie im Lande halte sich aber in Grenzen: Es gebe viele, die die WM und den betriebenen Aufwand sehr kritisch sähen. Verwiesen wird meist auch darauf, nicht immer zu Unrecht, wer da am Stadionbau, an der Modernisierung und dem Ausbau der Infrastruktur besonders verdient. Immer wieder wird auch betont: Das sind Weltmeisterschaften, die vor allem dem russischen Präsidenten Putin und dem Ausbau seiner Herrschaft nutzen. Und es gibt Warnungen: vor Rassismus und Homophobie im Land, vor russischen, aber auch den anreisenden britischen Hooligans, sowie vor Anschlägen. So sah das BKA nicht nur während, sondern auch schon vor dem Start der WM eine hohe Terrorgefahr und warnte vor möglichen Terroranschlägen von Islamisten aus der Kaukasusregion. Konkrete Hinweise gebe es aber bislang nicht. Und auch wenn die Gastgeber die WM gut absichern werden: Das BKA wollte Verbindungsbeamte nach Russland schicken, die die deutsche Nationalelf ständig begleiten. Provokationen und weitere Medienkampagnen gegen Russland sind auch während der WM noch lange nicht ausgeschlossen.

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"Nicht nur Vorfreude", UZ vom 15. Juni 2018



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