Zum Verhältnis von DKP und Ökologiebewegung · Auszug aus der Rede von Patrik Köbele

Niemals hinterherlaufen

Die Frage des Verhältnisses von Klasse, Bewegung, Bündnis, Aktion, Partei, die ist eigentlich so alt wie die kommunistische Bewegung selber. Ich fange deswegen mit Zitaten aus der Geburtsurkunde der kommunistischen Bewegung an, nämlich aus dem Kommunistischen Manifest: „In Deutschland kämpft die Kommunistische Partei, sobald die Bourgeoisie revolutionär auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die absolute Monarchie, das feudale Grundeigentum und die Kleinbürgerei. Sie unterlässt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewusstsein über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten.“

Hier geht es zunächst um den Weg. Ja, wir paktieren notfalls auch mit der Kraft, von der wir wissen, dass sie spätestens morgen reaktionär, unterdrückend, autoritär wird, aber dieses Bündnis darf uns nicht dazu bringen, dieser Klasse hinterherzulaufen, sondern wir müssen jetzt schon deutlich machen, dass sie morgen zu unseren Unterdrückern gehören wird, gehören kann. Und wie machen wir das? Auch das sagt das Manifest schon, ich könnte mir das eigentlich schenken, es sagt nämlich: „In allen diesen Bewegungen heben sie“ – Die Kommunisten – „die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.“ Ich glaube, damit ist auch eine Aufgabenstellung für den Umgang mit der Ökologiebewegung gegeben.

Wenn wir dort nicht die Klassenfrage hineintragen, dann laufen wir letzten Endes einer bürgerlichen Bewegung hinterher und tun genau das, von dem Marx und Engels gesagt haben, dass man es eben nicht machen darf. Aber auch Marx und Engels wussten schon, dass es immer auch Kräfte gab, die darauf abzielten, das Proletariat an realen Widersprüchen abzuholen, um es dann allerdings in die Erhaltung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu integrieren. (…) Im Manifest heißt es: „Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Missständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigen Art.“ Manches erkennt man wieder, manches nicht. Aber sie sagen dann, wenn er, der Bourgeois, das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen, so verlangt er im Grunde nur, dass es in der jetzigen Gesellschaft stehen bleibe, aber seine gehässigen Vorstellungen von derselben abstreife. Und das ist Reformismus, was da beschrieben wird. (…)

Diese Frage des Verhältnisses zu Bewegungen und des Verhältnisses zur Ökologiebewegung ist für die DKP nichts Neues. (…) Robert Steigerwald veröffentlichte 1982 das Buch „Protestbewegung“, das ich uns allen noch mal sehr ans Herz legen kann, weil es für unsere heutige Debatte hoch spannend ist. (…) Es gibt dort ein Kapitel, das nennt sich „Ideologisch-theoretische Substanz des nichtproletarischen Protests“, und dort geht Robert darauf ein, wie wir an solchen nichtproletarischen Protest herangehen müssen. Und es ist spannend, er unterzieht die damalige Ökologiebewegung einer scharfen, einer ganz scharfen philosophischen und ideologiekritischen Kritik. (…) Und kommt dann zum Ergebnis: Reingehen. Er sagt, dass auch diese Bewegung an einem realen Widerspruch beginnt, nämlich dem Widerspruch, dass es eine Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen gibt. Und es ist unter den Bedingungen eines entwickelten Imperialismus auch nicht verwunderlich, dass bürgerliche Ideologie führend in dieser Bewegung ist und dass versucht wird, diese Bewegung zu instrumentalisieren für die schlimmsten Orientierungen im Klassenkampf. Aber wenn wir nicht hineingehen, dann überlassen wir die sich bewegenden Menschen genau dieser Strategie und nutzen eben nicht das Potenzial, dass ein Widerspruch, der real ist, bei ihnen zu Widersprüchen führt und wir diejenigen sind, die die Möglichkeit haben, diese Widersprüche in eine fortschrittliche, in eine positive Richtung zu orientieren. (…)

Im Buch „Klasse, Demokratie, Aktion“, herausgegeben von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Kurt Fritsch, wird im Kapitel „Parteiorganisation und Bewegung“ entwickelt, dass Initiativen und Bewegungen häufig eine spontane Distanz zur Arbeiterbewegung haben. Und dass es über diese spontane Distanz auch zu einer Verfestigung von Konzeptionen kommen kann, die diese Distanz zu einer richtigen und prinzipiellen neuen Form der Politik erklären. Also: „,Fridays for Future‘ ist alles und die Arbeiterbewegung ist nichts.“ Dies führt dann auch oft zu einer Absage an die Arbeiterbewegung und umgekehrt bei Teilen der Arbeiterbewegung auch zu einer Distanz.

Auch das erleben wir heute, aber auch das ist nicht völlig neu. Ein Beispiel ist Holger Börner, SPD-Ministerpräsident von Hessen, der an diese Distanz der Arbeiterbewegung appellierte, als er über den Protest an der Startbahn West sprach: „Ich bedaure, dass es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst eins auf die Fresse zu hauen. Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit der Dachlatte erledigt.“ Manche von euch, die Älteren, werden das noch kennen. Das ist der Versuch, die Distanz der Arbeiterbewegung, die sich aus der Distanz auch der nichtproletarischen Bewegung ergibt, zu missbrauchen, um die Distanz zwischen beiden zu vertiefen. Und das weist uns natürlich auf eine zweite Aufgabe hin. Ja, wir haben in den Organisationen der Arbeiterbewegung gegen diese Distanz zu wirken. Und ja, da ist es gut, dass es Gewerkschaftsbeschlüsse gibt, die sich erst mal mit dem realen Widerspruch auseinandersetzen, nämlich der Klimafrage, der Ökologiefrage, und die sagen, wir müssen auf eine Zusammenführung von Bewegungen orientieren.

Dabei dürfen wir nie den Fehler machen, dass wir Bewegungen mit reaktionären Konzeptionen gleichsetzen, die Teile dieser Bewegungen oder auch führende Köpfe dieser Bewegungen haben. Im Buch „Klasse, Demokratie, Aktion“ heißt es dazu: „Die Kommunisten setzen diese Bewegungen nicht solchen Konzeptionen gleich. Sie stellen den wirklichen demokratischen Bewegungen auch nicht ihre wahren Losungen entgegen. Demokratische Bewegungen sind eine in vielleicht vielerlei Hinsicht neue Herausforderung für die revolutionäre Partei unseres Landes. Zu den Grundsätzen der Bündnispolitik der DKP in demokratischen Bewegungen gehört die Wahrung der politischen, ideologischen und organisatorischen Selbstständigkeit der Partei. Dies verweist uns darauf, dass ein Hinterherrennen niemals eine richtige Politik ist.“

Konkret heißt das, dass ein „Nein“ zur CO2-Steuer nicht ausreicht, aber es ist der Ansatzpunkt, um die Diskussion in die Bewegung reinzutragen, warum man denn überhaupt glaubt, diesen Umweg über Steuern gehen zu müssen. Das ist doch schon eine typisch kapitalismusgeschuldete Herangehensweise, dass man sagt, Steuerung der Produktion geht eigentlich nur über Bepreisung von irgendwas. Da können wir doch sagen: Steuerung der Produktion geht doch eigentlich viel einfacher. Wenn wir gemeinsam darüber bestimmen, was im Interesse der Menschheit produziert wird, dann brauchen wir doch keine Bepreisung von CO2, sondern dann werden wir eine Produktion entwickeln, die genau das zum zentralen Punkt macht.

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"Niemals hinterherlaufen", UZ vom 1. November 2019



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