„Linke Liste“ gegen Prestigeprojekt für wenige

Nürnberg will Kulturhauptstadt sein

Von Marion Padua und Gunhild Hartung

„Pack mer’s – Nürnberg Kulturhauptstadt 2025“ steht gut fränkisch auf der Warnweste, die Kulturreferentin Lehner am Ende des ersten Informationsabends zum Thema dem Publikum hinhält.

Die „Linke Liste“ – das Stadtratsbündnis aus DKP, Die Linke, MigrantInnen- und Jugendorganisationen ist gewarnt: Der Nürnberger Stadtrat hat im Dezember die Bewerbung um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ mehrheitlich beschlossen – gegen die Stimmen der „Linken Liste“. Der Auftrag für die Bewerbung geht an das Wirtschafts- und Kulturreferat. Das Kulturreferat legt jetzt ein Konzept vor. Die Rolle vom Wirtschaftsreferat bleibt der Öffentlichkeit eher verborgen.

Auch wenn die Kulturreferentin behauptet, es ginge bei der Kulturhauptstadtbewerbung nicht um „Event, Event, ein Lichtlein brennt“, sondern um nachhaltige Stadtentwicklung – wer’s glaubt! Seit Jahren schon wird in Nürnberg Kultur als Wirtschaftsfaktor gehandelt. Events wie der Biker-Zirkus mit Rampen und Tribünen zu Ehren von österreichischen Brauseproduzenten beleben umsatzfreundlich den Hauptmarkt, linken Gruppen hingegen zu Kundgebungen grundsätzlich nicht freigegeben, wegen der „Sensibilität der Altstadt“.

Außerdem sollen möglichst alle Nürnbergerinnen und Nürnberger in die Entwicklung der Kulturideen einbezogen werden. Alle? Auffallend war schon, dass die Informationsveranstaltung nur von wenigen „Nürnbergern mit Migrationshintergrund“ besucht war. Migration ist allerdings eines der bislang fünf Themenfelder eines „erweiterten Kulturbegriffs“, über die im Rahmen der Bewerbung um den Titel nachgedacht werden soll. Das erinnert fast schon an die Zeiten blühender Nürnberger Soziokultur in den 80-er Jahren. Die anderen Themenfelder sind „ Digitalisierung“, „Erinnerungskultur“, „Europa“ (die Bewerbungen zur Europäischen Kulturhauptstadt werden von einer EU-Jury ausgewertet) und „Arbeit“.

Diese Themen werden auf hübsch wolkig gestalteten Plakaten präsentiert. Zum Thema Arbeit finden sich viele Bezugspunkte drauf: 3-D-Drucker, Renaissance der Genossenschaftsidee, Arbeitszufriedenheit, Exportorientierung sind einige der Stichpunkte. Prekäre Beschäftigung, Arbeitszeiten und der massenhafte Abbau von Arbeitsplätzen in Industrie und Handel wäre das eigentliche wirtschaftliche Thema, was die Menschen bewegt“ meint Marion Padua, DKP-Stadträtin der „Linken Liste“. Das Geld und die Arbeitszeiten müssen kulturelle Teilhaben schließlich ermöglichen.

Die fünf Millionen Euro, die der Stadtrat für die Bewerbungsphase freigegeben hat, wären wo anders besser investiert: Nürnberg gehört zu den Städten mit den teuersten Nahverkehrs-Tickets. Auch wenn Nürnberg ein Kultur-Almosen-Modell „Kulturtafel“ entwickelt hat, das Interessenten Resttickets für Konzerte, Kindertheater usw. gratis anbietet, müssen die Empfänger zum Eintritt für Kulturveranstaltungen immer noch sechs Euro Weg-Kosten einplanen.

Das Kulturreferat möchte die Nürnberger Bürgerinnen und Bürger „mitnehmen“ bei der Bewerbung. Statt die Bürgerinnen und Bürger auf drei Veranstaltungen nur zu informieren, beantragte die „Linke Liste“ eine demokratische Bürgerbeteiligung mit Entscheidungscharakter. Dies wurde mehrheitlich abgelehnt.

Fast zeitgleich zur Bewerbung als Kulturhauptstadt plant der Stadtrat wieder Bibliotheksgebühren einzuführen, die bis 2025 die Summe von fünf Millionen Euro einbringen sollen. „Kostenloser Zugang zu Büchern, funktionierende Trinkbrunnen oder die kostenlose Nutzung von öffentlichen Toiletten kämen unseren kulturellen Vorstellungen näher“, so Stadträtin Padua. Die Forderung „Kultur für alle statt Prestige und Event für wenige“ wird die weitere Diskussion begleiten.

Marion Padua, Stadträtin der Linken Liste

Gunhild Hartung, DKP-Bundestageskandidatin

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"Nürnberg will Kulturhauptstadt sein", UZ vom 10. März 2017



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