Brasilien ist weiterhin auf kubanische Medizinerinnen und Mediziner angewiesen

Ohne Kuba geht es nicht

Die von Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro und der Regierung Donald Trumps organisierte Kampagne gegen Kubas medizinische Hilfsmissionen ist durch die Corona-Pandemie für beide zum Bumerang geworden. Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am vergangenen Wochenende mitteilte, ist das größte und bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas mittlerweile nach den USA zum neuen Epizentrum der Krankheit geworden. Am Montag (Ortszeit) hatte die Statistik der Johns Hopkins University bereits mehr als 365.000 Infizierte und knapp 23.000 Verstorbene in Brasilien verzeichnet. Örtliche Wissenschaftler schätzten die tatsächliche Anzahl der Covid-19-Fälle allerdings auf mindestens 1,6 Millionen. Das kollabierte Gesundheitssystem zwang die Regierung Bolsonaros nun zu einer für sie peinlichen Wendung um 180 Grad. Am 18. Mai teilte das Gesundheitsministerium mit, dass 150 kubanische Ärzte eine neue Arbeitserlaubnis erhalten sollen.

Nach seinem Amtsantritt im Januar 2019 hatte der bekennende Faschist Bolsonaro noch behauptet, die kubanischen Ärzte seien „keine echten Mediziner“, sondern „Ideologen“, die den Auftrag hätten, arme Brasilianer „zu kommunistischen Guerillas“ auszubilden. Nachdem er die Lungenkrankheit Covid-19 zunächst als „kleine Grippe“ verharmlost hatte, folgte der ultrarechte Staatschef dann seinem Vorbild Donald Trump und erklärte, China sei schuld an der Pandemie. Außenminister Ernesto Araújo versuchte, die abstrusen Theorien seines Chefs noch zu toppen und behauptete, Covid-19 sei ein „kommunistisches Virus“. Die Kommunisten würden die Krise und Aufrufe zur Solidarität nutzen, um ihre Ideologie mit Unterstützung internationaler Organisationen wie der WHO zu verbreiten, zitierte der Internet-Provider „Universo Online“ (UOL) Araújo am 22. April.

Bolsonaro hatte das zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Brasilien und Kuba 2013 vereinbarte Programm „Mais Médicos“ zur Unterstützung unterversorgter Regionen bereits vor seinem Amtsantritt mit der Ankündigung „Wir werden die Kubaner aus Brasilien hinauswerfen“ faktisch beendet. Als er gut zwei Jahre nach einem von Washington unterstützten institutionellen Putsch gegen die gewählte Regierung unter Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) schließlich an die Macht gelangte, setzte er seine Drohung um. Der neue Machthaber warf Havanna unter anderem „moderne Sklaverei“ vor, da die Regierung nur ein Drittel des von Brasilien bezahlten Gehalts direkt an die Ärzte ausbezahlt und den Rest für das Gesundheitssystem der Insel und zur Finanzierung von Hilfseinsätzen in armen Ländern des globalen Südens verwendet hatte.

Bis Ende 2018 waren rund 7.700 der 8.500 betroffenen Mediziner in ihre Heimat zurückgekehrt. Etwa 800 Teilnehmer des Programms waren in Brasilien geblieben, da man ihnen gutbezahlte, sichere Jobs in Aussicht gestellt hatte. Im Februar 2019 teilte das Gesundheitsministerium dann jedoch plötzlich mit, dass „Mais Médicos“ durch ein neues Projekt mit dem Namen „Mais Salud“ ersetzt werde, in dem „alle Stellen von Brasilianern besetzt“ würden.

Kubanische Ärzte, die auf einen Platz im staatlichen Programm gewartet hatten, bekamen keine Chance. Zudem wurde ihre Qualifikation in Frage gestellt. Gut ein Jahr später musste die Regierung in Brasilia kleinlaut einräumen, dass in Kuba ausgebildete Spezialisten „größte Erfahrungen bei der Eindämmung von Epidemien“ besitzen. Doch während die Mitglieder der Henry-Reeve-Brigaden, die derzeit in zwei Dutzend Ländern gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie kämpfen, einen Teil ihrer Einkünfte für den Erhalt des kubanische Gesundheitssystems und die Missionen in armen Regionen der Welt zur Verfügung stellen, sollen die in Brasilien angeheuerten Fachkräfte das komplette Salär einstreichen. Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind allerdings ein gut gehütetes Geheimnis.

Einziger Grund für die plötzliche Kehrtwendung der Bolsonaro-Regierung ist der völlige Zusammenbruch des Gesundheitssystems im Corona-Epizentrum Brasilien. Das Land hat bereits mehr medizinische Fachkräfte verloren als Italien und Spanien zusammen. Bis Anfang Mai wurden allein 10.000 infizierte Krankenpfleger vom Dienst entfernt, 88 von ihnen starben an den Folgen von Covid-19. Die Botschafter Deutschlands, Britanniens und Italiens forderten ihre Landsleute inzwischen „dringend“ auf, das Land „so schnell wie möglich“ zu verlassen. Washington verhängte am Wochenende ein unbefristetes Einreiseverbot für Brasilianer und Ausländer, die sich zwei Wochen vor einer geplanten USA-Reise in dem Land aufgehalten haben. Ungeachtet der sich zu diesem Zeitpunkt in Brasilien bereits abzeichnenden Katastrophe hatte US-Außenminister Mike Pompeo noch am 29. April auch andere Staaten dazu aufgefordert, ihre medizinischen Kooperationen mit Kuba zu beenden. In einem Appell an die Regierungen der Länder, in denen kubanische Ärzte derzeit tätig sind, lobte Pompeo in dem Zusammenhang das faschistische Regime Brasiliens als „Vorbild“, das er bewundere.

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"Ohne Kuba geht es nicht", UZ vom 29. Mai 2020



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