Zukünftig soll es Datenschutz nur für Gesunde geben

Profitable Patienten

Von Ralf Hohmann

Am 10. Juli 2019 hat das Bundeskabinett auf Initiative des von Jens Spahn geleiteten Gesundheitsministeriums den Entwurf eines „Digitale-Versorgung-Gesetzes“ (DVG) verabschiedet. Kern des DVG ist die Freigabe von Patientendaten zur wirtschaftlichen Verwertung durch Krankenkassen und Pharmaindustrie. Die Krankenkassen erheben und speichern eine Vielzahl von Daten ihrer Versicherten. Dazu zählen nicht nur die Sozialdaten der Patienten, sondern insbesondere alle Informationen, die sich aus den Abrechnungen der Ärzte und Krankenhäuser ergeben, wie Häufigkeit, Art und Umfang der Behandlungen, Medikationen, Begutachtungen, Therapien.

Im neuen Paragraf 68a Sozialgesetzbuch finden sich nun die seit Langem von den Verbänden der pharmazeutischen Industrie angestrebten Zielsetzungen einer profitorientierten Auswertung und Nutzung von Patientendaten verwirklicht: Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen werden zu Zulieferern von Daten und zum Kooperationspartner der Pharmaindustrie. Ein „Joint Venture“ von Kassen und den „Herstellern von Medizinprodukten, Unternehmen aus dem Bereich der Informationstechnologie, Forschungseinrichtungen sowie Leistungserbringern und deren Gemeinschaften“ soll in Zukunft möglich sein. Um das nötige Kapital für die medizinisch-technischen Innovationen zur Verfügung zu stellen, werden die Krankenkassen in Paragraf 68a Abs. 4 SGB V dazu aufgerufen, sich selbst am „Erwerb von Anteilen an Investmentvermögen“ zu beteiligen und zwar mit bis zu 2 Prozent ihrer Finanzreserven (Paragraf 263a SGB V). Gemessen an den aktuellen Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen geht es dabei um die Freisetzung von Finanzmitteln in Höhe von 500 Millionen Euro.

Die Patienten fördern profitable Projekte der Pharmaindustrie folglich aus ihren eigenen Beiträgen. Die Priorität des Regierungshandelns ist der Ausbau der kommerziellen Verwertung. „Mit zu restriktivem Datenschutz bleibt unser Gesundheitswesen hinter seinen Möglichkeiten zurück“, sagte Spahn.

Die Entscheidung über Zugriffsrechte Dritter auf die für 2021 geplante digitale Patientenakte, in der sämtliche ärztlichen Befunde im Klartext zugänglich gemacht werden sollen, vertagte das Kabinett wegen Kritik aus der Ärzteschaft auf den Herbst dieses Jahres.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Profitable Patienten", UZ vom 2. August 2019



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