Deutsche Regierung tatenlos

Proteste gegen Erdogans Krieg

Von Markus Bernhardt

Verschiedene kurdische Gruppierungen, Menschenrechtsorganisationen, linke Parteien und außerparlamentarische Zusammenschlüsse mobilisieren für kommenden Samstag zu einer Großdemonstration nach Köln. Die Proteste richten sich gegen den Angriffskrieg der Türkei gegen Syrien und die dort lebenden Kurdinnen und Kurden. Der Angriffskrieg der Türkei, der in der letzten Woche startete, forderte bereits unzählige Todesopfer. Mehrere Hunderttausend Kurdinnen und Kurden sollen bereits auf der Flucht sein.

Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD schaut dem mörderischen Treiben der türkischen Armee derzeit weitestgehend tatenlos zu. Dies geschieht keineswegs grundlos. Zum einen trägt die Regierungskoalition deutliche Mitschuld an den Aktivitäten des türkischen Aggressors, da sie diesen seit Jahren mit Waffen aller Art versorgt hat. Zum anderen hat sich die deutsche Politik aufgrund ihres Flüchtlingsdeals mit Erdogan erpressbar gemacht. Wer es zudem seit Jahren duldet, dass eine Reihe deutscher Bundesbürger unter fadenscheinigen Gründen von der Türkei inhaftiert werden und trotzdem noch mit dem verbrecherischen Erdogan-Regime paktiert, braucht sich keineswegs zu wundern, dass dieser sich von den halbseidenen Protestnoten der deutschen Regierung nicht beeindrucken lässt. Noch schlimmer ist: Erdogans Angriffskrieg wäre ohne die Waffenbrüderschaft zwischen ihm, der deutschen Bundesregierung und dem NATO-Kriegsbündnis in diesem Ausmaß kaum möglich. An den Händen der deutschen Regierung klebt dieser Tage einmal mehr das Blut unschuldiger kurdischer Zivilisten, Frauen und Kinder.

„Die Luft- und Bodenangriffe der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Söldnerbanden auf Nordsyrien gehen mit unvermittelter Härte weiter. Gezielt greifen sie zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser, Wasser- und Stromversorgung, Bäckereien an, um die Bevölkerung zu vertreiben“, beschreibt die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Partei „Die Linke“) die Verbrechen. Erst am Sonntag habe die türkische Luftwaffe einen zivilen Konvoi bombardiert, wobei mindestens zwölf Menschen getötet und 74 verletzt wurden, berichtete die Bundestagsabgeordnete.

Ein Ziel der türkischen Regierung sei es offensichtlich, „die Zehntausende gefangenen IS-Kämpfer zu befreien, um aus ihnen eine willfährige Söldnertruppe für weitere neoosmanische Eroberungen zu schaffen“, so Jelpke weiter. Hunderte IS-Angehörige waren bereits zuvor durch gezielte Angriffe der Türkei auf ein Internierungslager bei Ain Issa befreit worden.

„Möglich wurde der Angriff der Türkei auf Nordsyrien nur, weil die USA dafür grünes Licht gaben. Ein Großteil der verwendeten Waffen, darunter Leopard-II-Panzer und Heckler&Koch-Gewehre, stammen aus deutscher Lieferung oder Lizenzproduktion“, stellte die Linkspartei-Politikerin klar. Damit trage auch die Bundesregierung eine Mitverantwortung „an diesem völkerrechtswidrigen Besetzungs- und Vertreibungskrieg, der mit Fug und Recht als ein NATO-Krieg bezeichnet werden muss“.

Tatsächlich mehren sich bereits jetzt die Hinweise darauf, dass das NATO-Mitglied Türkei den Bündnisfall ausrufen könnte, sollten syrische und kurdische Truppen die Aggressoren zurückschlagen und es daraufhin zu weiteren Gefechten in der türkisch-syrischen Grenzregion – vor allem aber auf türkischem Staatsgebiet – kommen. Damit hätte die Türkei unter Duldung von NATO und Deutschland einen Flächenbrand entfacht. Bisherige Verlautbarungen, etwa des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn, lassen bereits jetzt Schlimmstes befürchten. So verwies Asselborn am Montag auf Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, in dem es heißt, dass „ein bewaffneter Angriff“ gegen einen NATO-Partner „in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden“ werde. Besagte Festlegung hätte im aktuellen Fall zur Folge, dass die anderen NATO-Mitglieder der Türkei militärisch zur Hilfe eilen müssten.

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"Proteste gegen Erdogans Krieg", UZ vom 18. Oktober 2019



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