Mieterbewegung fordert sichere Wohnungen für alle – „Housing Action Day“ verschoben

Rauswurf erst nach Corona?

Berlin am 18. März morgens: das börsennotierte Immobilienunternehmen Akelius hatte die Zwangsräumung einer Wohnung angekündigt. Die Mieterin befand sich auf ärztliche und amtliche Anordnung hin in Quarantäne, nachdem sie sich wegen eines Corona-Infektionsverdachts hatte testen lassen. Ihr Rausschmiss konnte durch Anti-Zwangsräumungs-Aktivisten zwar in letzter Minute abgewendet werden. Aber auch über diesen dramatischen Fall hinaus löst die Coronapandemie bei der mietenpolitischen Bewegung Alarm aus. So forderte das Bündnis „Mietenwahnsinn“ Berlin letzte Woche Freitag vor dem Roten Rathaus das Recht auf Wohnen: „Nur wer eine Wohnung hat und materiell versorgt ist, kann sich vor Ansteckung schützen!“ Denn Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit grassierten bislang ungebremst. Für Betroffene ist die Aufforderung, zum Schutz der Gesundheit zu Hause zu bleiben, blanker Hohn.

Alle für den 28. März geplanten EU-weiten Demonstrationen („Housing Action Day“) wurden indes verschoben. Der Veranstalter, das „Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“, ein bundesweiter Zusammenschluss von Mieterinitiativen und Recht-auf-Stadt-Gruppen, ruft stattdessen zu dezentralen Alternativaktionen auf. Kernforderung an die Immobilienwirtschaft ist, auf Profite aus Mieteinnahmen zu verzichten, aber auch an Strom-, Wasser- und Gasversorger, Banken, Gerichte und Gerichtsvollzieher wird entsprechend appelliert.

Die Berliner MieterGemeinschaft (BMG) hebt die Verlagerung wesentlicher Bereiche des Lebens in die eigenen vier Wände („Home-Office“ plus Kinderbetreuung) als besondere Belastung hervor: „Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person beträgt in Berlin für Mieterhaushalte keine 37 qm, während sie bei Eigentümerhaushalten bei 49 qm liegt. Familien mit einem monatlichen Einkommen von unter 2.000 Euro netto wohnen im Schnitt in höchstens 64 qm großen Wohnungen, wohingegen Haushalte mit mindestens 4.500 Euro netto weit über 100 qm zur Verfügung haben.“ Um Wohnungsverluste aufgrund säumiger Mietzahlungen zu verhindern, müssten „sehr zügig entsprechende Instrumente entwickelt werden. (…) Eine entsprechende Äußerung von Wohnungssenatorin Lompscher lässt bisher auf sich warten. Ungeachtet der Ergebnisse der inzwischen zumindest zögerlich begonnenen Diskussionen im Bundesjustizministerium ist für Berlin das Mindeste die sofortige Aussetzung von Zwangsräumungen und Energiesperrungen, der erklärte Verzicht der landeseigenen Wohnungsunternehmen auf Abmahnungen und Kündigungen aufgrund Mietrückstands sowie die schnelle und reibungslose Übernahme von Mietkosten bei drohenden Einkommensausfällen – und zwar bevor ein Rückstand eintritt. Die ‚Liquiditätshilfen‘, die dem Unternehmertum auf breiter Front versprochen werden, muss es auch für Mieter/innen geben. Viel Zeit bleibt hierfür nicht, denn das Problem wird (…) akut, wenn die Miet- und Abschlagszahlungen für den nächsten Monat fällig werden.“

Sehr schnell und deutlich spürbar mehr Mieterinnen und Mieter als bisher könnten vor das Problem gestellt werden, ihre nächste Miete nicht bezahlen zu können. Zwei ausstehende Monatsmieten reichen derzeit für eine fristlose Kündigung. Die landeseigenen Vermieter haben angekündigt, Rücksicht auf die derzeitige Situation zu nehmen. Der Berliner Senat beschränkte sich bisher auf Bitten. Die Bundesregierung plant einen gesetzlichen Kündigungsschutz, wenn im nächsten halben Jahr Mietschulden anfallen. Aber auch wenn eine Fristverlängerung über den September 2020 hinaus diskutiert wird, blieben die Schulden bestehen und wären nachzuzahlen.

Landen die Mieter dann auf der Straße, wenn die Corona-Krise vorbei ist?

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"Rauswurf erst nach Corona?", UZ vom 27. März 2020



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