Komplizierte Geräte, enge Leggings und komische Gerüche

Risiko im Fitnessstudio

Von Karl Rehnagel

Kieser-Training ist ja gut und gesund, aber es fehlt die runde Kugel“, schrieb Leser Dr. Klaus Mucha auf meinen letzten UZ-Artikel und ich muss sagen: präzise auf den (Elfmeter-) Punkt gebracht!

Kieser-Training mache ich nicht, aber, nun ja, ins Fitnessstudio gehe ich schon länger. „Du, in ner Muckibude?“, fragte mich zweifelnd ein Fußballkollege ob meiner recht dürftigen Figur. „Ja“, so meine Antwort, „was meinst du, wie ich erst ohne aussehen würde?“. Ein Argument, welches ihn verstummen ließ.

Aber was heißt das eigentlich, Fitnessstudio? Die allgemeine Horrorvorstellung: Kein anwesender Mensch ist über 20, alle sehen aus wie aus der Parship-Werbung (groß, schlank, durchtrainiert und mit blendend weißen Zähnen) und alle strahlen bei ihren Übungen, als wäre Aufbautraining so prima wie eine selbstgemachte Lasagne mit einem Glas bestem Rotwein.

Nun, so kann es sicherlich aussehen, aber wer ein wenig sucht, findet auch eine Nische. Mein Studio ist alt, die Geräte sind alt, die Musik ebenso (wenn auch furchtbar) und mindestens zur Hälfte sind es auch die Menschen.

An einem normalen Tag sieht das so aus: Zwei Damen mittleren Alters und mittlerer Figur mühen sich auf „Steppern“ ab, ein älterer Arzt aus Mosambik, der vor Jahren einen Schlaganfall hatte und nur noch einseitig trainieren kann, drei junge Türken mit furchtbaren Muskeln und erstaunlicher Freundlichkeit, ein Verrückter in zerschlissener Joggingbuchse, der mehr Gewichte hebt als alle drei zusammen, ein einarmiger Glatzkopf, ein jüngeres Paar, herrlich normal gekleidet und eine junge Frau, die weder optisch noch verbal einen Hehl daraus macht, dass sie lesbisch ist. Dazu noch Herbert, Mitte 70 und Langzeitstudent, der beim Fahrradfahren Kafka liest.

Könnte schlimmer sein, oder anders gesagt: Ich falle hier weder auf noch ab, kann in Ruhe meine Übungen machen (zumindest wenn nicht gerade „Rammstein“ durch die Musikboxen dröhnt) und es interessiert absolut niemanden, ob meine Schuhe von Nike oder Kik sind und ob ich mich in den letzten 48 Stunden rasiert habe. Dass einzige, was mich hier stört: Menschen, die nicht mitbekommen, dass sie gruselig schwitzen. Und riechen. Und dass ich immer die Gewichte der Geräte halbieren muss, wenn ich dran komme. Herbert war vor mir dran, das Gerät steht bei 60 kg. Hmm …

Ob es Spaß macht? Nein. Ein Ersatz für den Fußball? NEIN. Ob es nutzt? Ganz sicher sogar. Und sei es nur als prima Argument für die bereits erwähnte selbstgemachte Lasagne mit einem Glas bestem Rotwein. Für irgendwas muss der ganze unansehnliche und kraftraubende Unsinn doch schließlich gut sein.

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"Risiko im Fitnessstudio", UZ vom 17. November 2017



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