Gegen den „Aufstand für Frieden“ greift die ARD-Sendung „Fakt“ zum Holzhammer

Sendezeit für rechte Selbstdarsteller

Am Rande der Demonstration, die am 25. Februar in Berlin Zehntausende auf die Straßen zog, um gegen Krieg und Waffenlieferungen zu protestieren, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem rechten Zeitschriftenherausgeber Jürgen Elsässer („Compact“) und der Versammlungsleiterin Sevim Dağdelen („Die Linke“). Es war ein Zwischenspiel, wie es bei großen Kundgebungen häufig vorkommt. Elsässer versuchte sich in Szene zu setzen. Dag˘delen trat ihm entgegen, erklärte, dass er nicht willkommen sei und verwies ihn von der Veranstaltung. Die Polizei stand achselzuckend daneben und ließ den lautstark diskutierenden Elsässer gewähren. Man habe „keine Handhabe“, hieß es.

Im Anschluss wurden Elsässer und seine Leute abgedrängt. Auf Videos ist zu sehen, wie sie ratlos herumstehen. „Nazis raus“-Rufe hallen über den Platz. Schließlich kommt doch die Polizei, nicht um das Trüppchen zum Abzug zu bewegen, sondern um ihre Anwesenheit zu schützen. Die große Masse der Teilnehmenden bekam von alledem nichts mit und der Vorfall hätte als Randnotiz in die Geschichte einer erfolgreichen Demonstration eingehen können. Doch es kam anders. Schon vor der Veranstaltung hatten sich zahlreiche Medien darauf eingeschossen, Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer mit Querfront-Anschuldigungen zu überziehen. Weder die Kundgebung selbst noch die dort gehaltenen Redebeiträge spielten ihnen in die Karten. Der Vorwurf wäre nach journalistischen Standards nicht zu halten gewesen. Da kam Elsässer gerade recht. Zwar war er offensichtlich unerwünscht gewesen, doch „teilgenommen“ hatte er trotzdem – zumindest aus seiner Sicht. Dass dies nur der Polizei des rot-rot-grünen Senates zu verdanken war, wurde verschwiegen. Die Fußnote wurde zur Schlagzeile, der Querfront-Mythos war gerettet.

Einen unfreiwilligen Einblick in die Arbeitsweise großer bürgerlicher Formate bot wenige Tage später das „ARD“-Magazin „Fakt“. Ein Redakteur dieses Programmes verschickte Anfragen an die Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner von Wagenknechts und Schwarzers „Manifest“. Darin behauptete er, dass „die von den Initiatorinnen angekündigte Abgrenzung gegen rechts in der Realität bei der Veranstaltung nicht funktioniert hat“. Als Beweis dafür nannte er neun Personen aus dem rechten Spektrum, die an der Kundgebung teilgenommen haben sollen. Zu den „auffälligsten Einzelpersonen“ gehörte laut „Fakt“-Recherche „Jürgen Elsässer/Compact, der uns sagte, dass er sich hier willkommen fühle“.

Vor diesem Hintergrund wurden die Erstunterzeichner gefragt, ob sie das „Manifest“ erneut unterschreiben würden und wie die „Details der Unterzeichnung“ ausgesehen hätten. Den Angeschriebenen wurde eine Frist von einem Tag zur Rückmeldung gesetzt. Dass die Einzelheiten der Anfrage bekannt wurden, ist der Zeitschrift „Emma“ zu verdanken, die nicht nur das Schreiben des Redakteurs, sondern auch die Antwortbriefe der Unterzeichner veröffentlichte. In mehreren Antworten wurde auf den inquisitorischen Charakter der Anfrage hingewiesen. Detlef Malchow vermittelte seinen Eindruck, dass sich kein Journalist, sondern „Joseph McCarthy oder der selige Papst Innozenz III. (1161 – 1216)“ an ihn gewendet hätte. Der Künstler Gottfried Helnwein bestätigte seine klare Abgrenzung nach rechts und stellte die Gegenfrage, weshalb die Befürworter von Waffenlieferungen sich nicht „vom Nazi-Regiment Asow distanzieren (…), dessen Mitglieder ganz offen Hakenkreuzfahnen, SS-Totenköpfe und Nazi-Runen zur Schau tragen und gerne mit dem Hitlergruß salutieren“. Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge fasste die Gesamtsituation zusammen: „Wenn Sie das für seriösen Journalismus halten, tut es mir für Sie leid.“

Am 28. Februar erschien der „Fakt“-Beitrag. Wenig überraschend spielten die Antwortbriefe der Erstunterzeichner keine Rolle. Stattdessen wurde die Selbstdarstellung der Rechten in den Mittelpunkt gerückt. Von „Allianzen der AfD und Sahra Wagenknecht“ war die Rede. Ein bildreich in Szene gesetzter „Beweis“ dafür: das isolierte Grüppchen um Elsässer hinter dem „Compact“-Banner.

Alle Antwortbriefe und die vollständige „Fakt“-Anfrage gibt es bei „Emma“.

Über den Autor

Vincent Cziesla, Jahrgang 1988, ist seit dem Jahr 2023 Redakteur für das Ressort „Politik“. Der UZ ist er schon seit Jahren als Autor und Verfasser der „Kommunalpolitischen Kolumne“ verbunden. Während eines Praktikums lernte er die Arbeit in der Redaktion kennen und schätzen.

Cziesla ist Mitglied des Neusser Stadtrates und war von 2014 bis 2022 als hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer der Linksfraktion in Neuss beschäftigt. Nebenberuflich arbeitet er in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.

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"Sendezeit für rechte Selbstdarsteller", UZ vom 17. März 2023



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