Regierung will „Gefährder“ schneller abschieben

Spiel mit der Angst

Von Markus Bernhardt

Mit Beginn dieses Monats sind neue Regelungen bezüglich der deutschen Abschiebepolitik in Kraft getreten. Ins Visier der Behörden geraten jetzt sogenannte „Gefährder“, die mittels elektronischer Fußfesseln überwacht und zudem in Abschiebehaft gesteckt werden können. Fragwürdig ist jedoch, wer künftig als solcher eingestuft werden kann und auf welcher juristischen Grundlage dies geschehen soll. In der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag versuchte man sich an einer Definition. Dieser entstamme „der polizeifachlichen Terminologie“ und finde „Anwendung im Bereich der politisch-motivierten Kriminalität“ (PMK). Der Begriff sei zudem „durch Beschlüsse der Innenministerkonferenz bundeseinheitlich abgestimmt und definiert“. Die Einstufung von Personen als „Gefährder“ allein löse jedoch angeblich keine Rechtsfolgen aus. „Die Einstufung als solche stellt keine rechtliche Grundlage zur Ergreifung von Maßnahmen dar, sondern sie gibt vielmehr Anlass zur Prüfung der rechtlichen Grundlagen zur Ergreifung eben solcher Maßnahmen nach den Bestimmungen des Gefahrenabwehrrechtes“, antwortete die Bundesregierung kryptisch. Aktuell hat das Bundeskriminalamt die Datensätze von 690 sogenannten islamistischen „Gefährdern“ gespeichert. Rund 100 von ihnen sitzen derzeit in Haft. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, erklärte, bislang hätten sich „alle alarmistischen Prognosen des Bundesinnenministers über die Zahl der Ausreisepflichtigen als skandalös falsch erwiesen“.

Tatsächlich dürfte der schwammige Begriff des „Gefährders“ keine geeignete Grundlage im Kampf gegen möglichen Terrorismus darstellen. Vielmehr droht, dass die beschlossenen Gesetze, die vorsehen, dass der Einsatz von elektronischen Fußfesseln oder auch die Inhaftierung abgelehnter Asylbewerber schnell auch auf Personen ausgedehnt werden könnten, die nicht das Etikett des „Gefährders“ tragen. Bislang konnten abgelehnte Asylbewerber nur in Abschiebehaft genommen werden, wenn der Termin der Abschiebung weniger als drei Monate betrug. Dies ist nun anders, so können die Betroffenen nunmehr auch inhaftiert werden, wenn ihr Abschiebetermin noch unbekannt ist. Zukünftig darf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sogar Handys und Computer von Asylbewerbern durchsuchen.

Die etablierte Politik versucht seit geraumer Zeit den Eindruck zu erwecken, dass zu wenig „ausreisepflichtige Personen“ tatsächlich abgeschoben würden, die Realität sieht jedoch anders aus: Allein im ersten Halbjahr 2017 wurde gegenüber 23891 abgelehnten Asylsuchenden eine sogenannte Ausreiseentscheidung getroffen, die Zahl der erfolgten Ausreisen und Abschiebungen ist höher und liegt bei 23934 Menschen. Allein das dürfte durchaus belegen, wie sehr seitens der Bundesregierung Stimmung gemacht und Vorbehalte geschürt werden, die mit der Realität nicht in Einklang zu bringen sind.

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"Spiel mit der Angst", UZ vom 11. August 2017



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