Die ARD vertuscht planmäßigen Angriff auf Kommunistische Partei – und auch dessen Abwehr durch das Bundesverfassungsgericht

„Tagesschau“ leistete Beihilfe

Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Mit üblen Tricks haben Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundeswahlleiter Georg Thiel versucht, die Deutsche Kommunistische Partei von der Bundestagswahl im September auszuschließen und sie als Partei zu exekutieren. Erst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stoppte das Intrigenspiel. „ARD-aktuell“ befand erwartungsgemäß, an der Affäre sei nichts Besonderes. In ihren Fernsehnachrichten brachte sie kein Wort darüber. In ihrer Internet-Nische „tagesschau.de“ bot die Redaktion neben den Kurzmeldungen „DKP wird nicht zur Bundestagswahl zugelassen“ und, zwei Wochen später, „DKP darf doch bei der Bundestagswahl antreten“ nur jeweils eine kurze Zusatznachricht. Alle Berichte wie üblich im billigen, oberflächlichen Stil, mit dem unsere unter- und desinformierte Gesellschaft mittlerweile abgespeist wird.

Kommunisten: Dauerobjekt deutscher Feindbildpflege
Zugegeben: Die DKP ist eine kleine Partei, gut organisiert, aber relativ einflusslos. Trotzdem wollten die von Schäuble dirigierte Bundestagsverwaltung und der von Thiel präsidierte Bundeswahlausschuss ihr den Status als politische Partei aberkennen, sie damit von der nächsten Bundestagswahl ausschließen und von der Bildfläche verschwinden lassen. Vorgeschobene Begründung: Die Partei habe in den letzten sechs Jahren keine gesetzlich vorgeschriebenen Rechenschaftsberichte vorgelegt. Eine Falschbehauptung, wie sich vor Gericht herausstellen sollte.

Kommunisten sind Traditions- und Dauerobjekt deutscher innenpolitischer Feindbildpflege. Schäuble und Thiel leisteten einen weiteren Beitrag dazu und der öffentlich-rechtliche Rundfunk, voran die „Tagesschau“, gewährte Beihilfe, wie man es anders nicht mehr kennt.

Der Versuch, eine politische Partei zu zerschlagen, berührt den Zentralnerv eines demokratischen Staates. Dass unsere Spitzenjournalisten das verheimlichten (oder nicht einmal begreifen?) und als Vertreter der „Vierten Gewalt“ kaum reagierten, beweist, welch großen Schaden die politische Kultur unseres Gemeinwesens bereits erlitten hat.

Kommunistenhass und Geschichtsklitterung gehören zur DNA der deutschen Nachkriegs-Geschichtsschreibung. Sie sind Substanzen unserer politischen Giftköche und journalistischen Hetzer. Das offizielle Deutschland reklamiert heute für sich eine entschieden antinazistische Einstellung. Glaubwürdig ist das nicht die Spur, wie schon ein Blick auf unsere Außenpolitik und die schamlose Berliner Unterstützung der Ukro-Nazis in Kiew zeigt. Innenpolitisch spricht der Umgang mit den Kommunisten seine eigene undemokratische Sprache. Sie werden trotz ihrer historischen und aktuellen Verdienste im Widerstand gegen Faschismus und Krieg aus dem öffentlichen Bewusstsein herausgehalten und vom Verfassungsschutz ausspioniert. Die Erinnerung an die beispielhaften Erfolge der frühen DDR, die unmittelbar nach ihrer Gründung systematisch Nazi-Verbrechen aufklärte und verfolgte, wurde vollends aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt.

Zweifelhaftes Gremium: ­Bundeswahlausschuss

Vor diesem Hintergrund mutet es wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte an, dass nun politisches Spitzenpersonal, ausgerechnet zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, der DKP den Rest geben wollte. Bürokratische Tricks und verwaltungsrechtliche Mätzchen sollten zum Ziel führen.

Austragungsort der Intrige war die Sitzung des Bundeswahlausschusses am 8. und 9. Juli in Berlin. Dem erlauchten Elferrat gehören acht Beisitzer an, die der Vorsitzende – zugleich Präsident des Statistischen Bundesamtes – auf Vorschlag der im Bundestag etablierten Parteien beruft. Zwei weitere Mitglieder sind Richter am Bundesverwaltungsgericht.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, hat bereits im Jahr 2009 erhebliche Zweifel an der rechtsstaatlich gebotenen Unabhängigkeit dieses Gremiums angemeldet. Der Ausschuss entscheide weder nach gesetzlich definierten Kriterien noch seien Interessenkonflikte ausgeschlossen, weil seine Mitglieder aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit über die Zulassung ihrer Konkurrenten befinden dürfen. Durchschlagende Konsequenzen zogen unsere deutschen Vorleute daraus nicht.

Auf „tagesschau.de“ hieß es nun, formal wohl zutreffend, aber an der Realität vorbei: „Der Ausschuss prüft nur, ob die Bewerber für die Wahl die vorgeschriebenen Formalien einhalten. Eine inhaltliche Bewertung insbesondere der Programmatik der Parteien darf er nicht vornehmen.“ Eine typische ARD-Plattitüde, ohne Unterscheidung von Soll und Ist. Unsere Qualitätsjournalisten verdrängen, wie oft das Bundesverfassungsgericht schon mit seinen Entscheidungen rechtswidrige Akte der Polit-Eliten hat blockieren oder korrigieren müssen. „ARD-aktuell“ verlor kein kritisches Wort über den politischen Skandal, dass der Bundestagspräsident und der Bundeswahlleiter aufgrund willkürlich interpretierter Formvorschriften des Parteiengesetzes versuchten, eine seit Jahrzehnten aktive Partei im kalten Handstreich „plattzumachen“.

Thiel und Schäuble: Hand in Hand

In der Beratung am 8. Juli behauptete Bundeswahlleiter Thiel, die DKP habe keinen Anspruch, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen. Sie habe entgegen dem Parteiengesetz die vorgeschriebenen Rechenschaftsberichte verspätet eingereicht. Laut Bundestagsverwaltung habe sie deshalb ihre Eigenschaft als Partei verloren. Auf den warnenden Einwand des Bundesverwaltungsrichters Langner, auch verspätet eingereichte Berichte seien doch Berichte, reagierte Thiel, indem er den Ball an den in der Sitzung anwesenden Vertreter Schäubles weiterspielte. Der behauptete daraufhin mit breiter Brust, die Vorschriften des Parteiengesetzes ließen keinen Raum, die DKP noch als politische Partei anzuerkennen: Verspätet eingereichte Berichte seien wie nicht eingereichte Berichte zu behandeln.

Ein stärkeres Indiz, dass es sich dabei um ein abgekartetes Spiel zwischen Thiel und Schäubles Verwaltungsapparat handelte, ist schwerlich vorstellbar.
Belege dafür, dass Schäuble und Thiel die DKP in voller Absicht hatten auflaufen lassen wollen, gibt es zuhauf. Der DKP-Vorstand hatte am 5. September vorigen Jahres beim Bundeswahlleiter ausdrücklich nachgefragt, ob man die Anforderungen gemäß Paragraph 23 Parteiengesetz zur Rechenschaftslegung erfülle. Am 8. September ließ Thiel wissen, er könne diese Frage nicht beantworten, das sei Aufgabe des Präsidenten des Deutschen Bundestags (Wolfgang Schäuble). Noch gleichentags schrieb der DKP-Vorstand daraufhin die Bundestagsverwaltung mit gleicher Fragestellung an. Eine Auskunft erhielt er jedoch auch hier nicht.

Tatsächlich hatte Thiel vor der Wahlausschusssitzung bei Schäuble nachgefragt, ob Rechenschaftsberichte der DKP vorlägen und die Mitteilung bekommen, dass es zwar Berichte gebe, die seien aber sämtlich verspätet eingegangen. Daraus bastelten die Schäuble-Bürokraten für den Wahlleiter den Vorschlag, der DKP die Parteieigenschaft abzusprechen. Gegenüber dem Bundesverfassungsgericht behauptete Thiel, er sei ja nicht verpflichtet gewesen, die DKP hierüber in Kenntnis zu setzen.

Die Schlussfolgerung drängt sich auf, dass Schäuble und Thiel eine fiese Intrige zwecks Ausschaltung der DKP spannen. Dem DKP-Vorstand kann man andererseits den Vorwurf nicht ersparen, dass er seinen politischen Feinden mit bemerkenswerter Blauäugigkeit auf den Leim ging, indem er annahm, sein Wahlzulassungsantrag werde sachgerecht behandelt.

„Die Linke“ gehörte zu den Abnickern

Dass die Beisitzer dem Bundeswahlleiter Thiel während der Ausschusssitzung weitgehend das Feld überließen und nahezu alles einstimmig abnickten, was er ihnen auftischte, lässt tief in die antidemokratischen Abgründe der Berliner Politik blicken. Dass nur ein einziges Mitglied gegen den Ausschluss der DKP und gegen die Aberkennung ihrer Parteieigenschaft votierte – ausgerechnet ein Grüner (!) – zeigt, wie weit die Entmündigung des parlamentarischen Fußvolks bereits fortgeschritten ist. Die Linkspartei wird im September von vielen Wählern die Quittung dafür bekommen, dass ihre Vertreterin im Bundeswahlausschuss ebenfalls gegen die DKP stimmte. Der billige Versuch der PdL-Führung, „unglückliches Fehlverhalten einer Ersatzdelegierten“ vorzuschützen, beeindruckt keineswegs.

Da wir nun schon mal bei den Personalien sind, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit der beiden Haupttäter. Sofort fällt er dann auch auf die Schwarzgeldaffäre der CDU. Ihretwegen verlor der damalige Partei- und Fraktionsvorsitzende Schäuble vor 21 Jahren seine Posten und sein Renommee als seriöser Politiker. Er konnte/wollte den Verbleib einer Parteispende von 100.000 DM nicht erklären, die ihm ein bekannter Waffenschieber im CDU-Hauptquartier bar in die Hand gedrückt hatte. Dass ausgerechnet dieser Schäuble Finanzminister und schließlich sogar Bundestagspräsident werden konnte, ist ein besonderes „Qualitätsmerkmal“ des Berliner Politikbetriebes. Dass er sich nun auch noch zum Tugend-Scharfrichter über die DKP aufschwang und die Kommunistenpartei wegen einer vergleichsweise läppischen Verfehlung kaputtmachen wollte, ist nicht mal mehr Realsatire, sondern bloß noch ein schlechter Witz.

Mittäter Georg Thiel kann ebenso wenig mit blütenreiner Weste punkten. Bundesweit bekannt wurde er als Vorgesetzter mit hässlichen Führungseigenschaften. Ein THW-Mitarbeiter hat sich vor mehreren Jahren in seiner Münchner Dienststelle erhängt. Im Abschiedsbrief gab er seinem Chef die Schuld. Thiel habe ein „menschenverachtendes Arbeitsklima gezielt gefördert“, hieß es damals in Zeitungsberichten.

Wolfgang Schäuble, seinerzeit Innenminister und Thiels politischer Dienstherr, nahm seinen Mann jedoch in Schutz: „Der tragische Freitod eines Mitarbeiters im THW-Landesverband Bayern am 12. März hat uns alle tief bestürzt. … Die Sachverhaltsaufklärung durch das Innenministerium hat ergeben, dass Herr Dr. Thiel keine Verantwortung für den Freitod trägt und Vorwürfe in diesem Zusammenhang haltlos sind.“

Der somit Freigesprochene wurde allerdings wegbefördert, „auf eigenen Wunsch“. Schäuble ließ verlauten, er habe der Bitte um Versetzung entsprochen, um weiteren Schaden vom THW abzuwenden. Vom THW-Chef über eine Zwischenstation zum Präsidenten des Statistischen Bundesamtes: So sehen politische Reinwaschgänge aus.

Der Vorwurf, Thiel lasse es an Führungsqualitäten mangeln, blieb dennoch an ihm haften und fand neue Bestätigung. „Zeit Online“ zitiert Klagen der Mitarbeiterschaft: Thiel führe das Bundesamt für Statistik mit einem System aus Angst und Druck. Es kam knüppeldicke: menschenverachtender Führungsstil, Steuerverschwendung, Vetternwirtschaft. Wundert sich nun noch jemand darüber, dass dieser Muster-Bürokrat Beihilfe zur versuchten Zerstörung der DKP leistete?

Noch gibt es Richter in Deutschland

Der Machtmissbrauch an der Spitze unserer Republik verlässt sich auf das Schweigen beziehungsweise Versagen der „ARD-aktuell“ als kontrollierender Wächter der Demokratie. Der Verzicht auf kritische Distanz und purer Verlautbarungsjournalismus im Sinne der Regierenden fördern die unverschämten Auftritte der Politdarsteller und ihrer Ministerialbürokratie. Wäre da nicht die Justiz – die Dritte Macht im Staat neben Parlament und Regierung –, sähe es hierzulande noch weit finsterer aus. Im vorliegenden Fall verhinderte sie den Exitus der DKP. Noch gibt es Richter in Deutschland!

„ARD-aktuell“ hätte zumindest auf ihren diskreten Internetseiten ausreichend Platz gehabt, Schäubles und Thiels Anschlag auf die DKP als dreiste Verletzung demokratischer Prinzipien darzustellen und über diesen Skandal umfassend zu informieren. Eine Kurzmeldung in der 20-Uhr-„Tagesschau“ mit Verweis auf ausführliche Berichte im Internet wäre das Mindeste gewesen. Dazu hätte es allerdings größerer analytischer Fähigkeiten, eines breiteren politischen Bewusstseins und eines stärkeren journalistischen Rückgrats bedurft, als die Hauptabteilung „ARD-aktuell“ wieder mal demonstriert.

Die Redaktion sonnt sich eben lieber im Wohlwollen der Berliner Machthaber. Sie gibt deshalb deren Verschwörungstheorien über russische Fake News und angeblich drohende Cyber-Attacken auf die Bundestagswahl vorbehaltlos als Nachrichten weiter und denkt nicht mal im Traum daran, den böswilligen Schmarren infrage zu stellen. Die bedingungslose journalistische Anpasserei schützt vor internem Ärger. Christine Strobl, Schäubles Tochter und Ehefrau des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl, wurde kürzlich zur „ARD“-Programmdirektorin ernannt. Seitdem ist der informelle Weg vom Bundestagspräsidenten zur „Tagesschau“-Redaktion noch erheblich kürzer geworden.


Der hier abgedruckte Text von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam ist eine gekürzte Fassung. Ungekürzt und versehen mit Nachweisen und Anmerkungen unter: blog.unsere-zeit.de und ­publikumskonferenz.de/blog

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.

Die Beiträge von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam gegen die „­mediale Massenverblödung“ gibt es unter publikumskonferenz.de/blog


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"„Tagesschau“ leistete Beihilfe", UZ vom 6. August 2021



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