Sergej Lawrow zur Reform des UN-Sicherheitsrates

Ungleichgewicht

Sergej Lawrow

Am Rande des BRICS-Gipfels erläuterte der russische Außenminister Sergei Lawrow die Haltung der BRICS-Länder zur Sitzvergabe im UN-Sicherheitsrat. Von ihnen haben sich Brasilien und Indien schon vor längerer Zeit um Sitze beworben, die USA unterstützen hingegen die Bewerbungen Deutschlands und Japans. UZ dokumentiert hier Lawrows Antwort auf der Pressekonferenz in Johannesburg.

Was die Demokratisierung der UNO anbelangt, so haben wir seit langem auf die Notwendigkeit einer Reform der Vereinten Nationen gedrängt. In den letzten 15 Jahren wurden viele Neuerungen eingeführt, darunter verschiedene Kommissionen zur Friedenskonsolidierung (ein neuer Punkt auf der Tagesordnung), zum Klima, zur künstlichen Intelligenz und zu den Informationstechnologien … Es wurde viel getan. Dies hilft der UNO, sich an die Entwicklungen in der Welt, in Wissenschaft und Technologie anzupassen.

Die wichtigste Frage ist, wie der Sicherheitsrat reformiert werden kann. Dieses Gremium ist in den Augen der meisten Menschen das Symbol für die UNO. Es verfügt über Befugnisse, die sonst niemand hat, einschließlich der Befugnis, Entscheidungen über Krieg und Frieden oder über Zwangsmaßnahmen wie Sanktionen zu treffen. Wenn wir über Gerechtigkeit und Demokratisierung sprechen, dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass sechs der 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats das Lager der Vereinigten Staaten vertreten und gehorsam die Befehle der USA ausführen.

Wir haben diese Angelegenheit gestern und heute früh erörtert. Die von uns gebilligten Dokumente enthalten einen Absatz, in dem bestätigt wird, dass sich die BRICS-Staaten für eine Reform des Sicherheitsrats einsetzen, die im Interesse einer stärkeren Vertretung der Entwicklungsländer durchgeführt werden soll. Darin werden auch Indien, Brasilien und Südafrika als die Staaten genannt, deren aktive Rolle in der UNO wir schätzen und die im UN-Sicherheitsrat gestärkt werden sollen.
Dies ist das erste Mal, dass BRICS-Dokumente unsere Unterstützung für die Reform des UN-Sicherheitsrats durch eine erweiterte Vertretung der Entwicklungsländer in allen Mitgliedskategorien, einschließlich der ständigen Mitgliedschaft, zum Ausdruck bringen.

Wir haben unseren Standpunkt zu den beiden anderen Kandidaten für einen ständigen Sitz nochmals erläutert. Indien und Brasilien haben ihre Bewerbungen schon vor langer Zeit offiziell eingereicht. Das Gleiche haben Deutschland und Japan getan. Zusammen bilden sie die sogenannten G4-Nationen. Ihre Interessen sind situativ gesehen identisch. Aber konzeptionell kommt es nicht in Frage, dass Deutschland und Japan als ständige Mitglieder in den Sicherheitsrat einziehen und damit die Verzerrung noch verschärfen. Die Goldene Milliarde ist mit mehr als einem Drittel in der derzeitigen Zusammensetzung des Sicherheitsrates vertreten, während die übrigen sieben Milliarden unterrepräsentiert sind. Weder Deutschland noch Japan werden etwas Neues in die Diskussionen im Sicherheitsrat einbringen. Sie sind gehorsame Akteure, die den Willen Washingtons umsetzen, wie der Rest der westlichen Länder. Die seltenen Beschwörungen der „strategischen Autonomie“ der EU werden von gebellten Befehlen zur Einhaltung der Disziplin und zum Einhalten der Linie übertönt.

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"Ungleichgewicht", UZ vom 8. September 2023



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