50 Jahre DKP und die Vietnam-Solidarität

Unsere Solidarität endet nicht

Von Stefan Kühne

Zum 40. Jahrestag der DKP schrieb Robert Steigerwald in der UZ: „Man kann die Ereignisse des Jahres 1968 nicht begreifen, wenn nicht beachtet wird, dass sich wichtige internationale Prozesse „kreuzten“. Stichworte sind: Die USA-Aggression gegen Vietnam, eine starke Bürgerrechtsbewegung in den USA, die Solidarität mit den Kämpfen in der Dritten Welt, … die US-Bedrohung Kubas, … und zugleich die sowjetische politische und waffentechnische Hilfe für die vietnamesischen Kämpfer.“ (UZ vom 2.8.2008)

Die enge Verbundenheit mit der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams brachte der Bundesausschuss der DKP bereits kurz nach seiner Gründung am 18. Dezember 1968 in einer Grußbotschaft zum Ausdruck. „Wir bekunden, dass wir uneingeschränkt und solidarisch an der Seite des vietnamesischen Volkes in seinem heroischen Kampf gegen die verbrecherische Aggression des amerikanischen Imperialismus stehen. Wir versichern unseren vietnamesischen Genossen, dass wir dafür kämpfen, dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die moralische und materielle Unterstützung der US-Intervention gegen das vietnamesische Volk einstellt. Für unsere Partei ist die solidarische Verbundenheit mit dem vietnamesischen Volk und die brüderlichen Beziehungen zur Partei der vietnamesischen Kommunisten sowohl während des opfervollen Kampfes gegen die barbarische US-Aggression als auch in der schwierigen Zeit des Wiederaufbaus eine tiefe Herzenssache.“

Mannheim 1972

Mannheim 1972

( UZ-Archiv)

„Tiefe Herzenssache“

Die Unterstützung des Kampfes während und nach dem Sieg war also nicht nur eine politisch-historische Einschätzung, sondern auch eine sehr emotionale. Viele Mitglieder der DKP wurden geprägt durch die abscheulichen Bilder des Kriegs, den die USA in Vietnam führten. Der Krieg in Vietnam war für viele sogar einer der Gründe, in diese Partei einzutreten und gegen den US-Imperialismus auf die Straße zu gehen. Die Solidarität mit Vietnam findet sich in vielfältiger Weise und Form in den Publikationen der DKP.

So berichtet zum Beispiel angesichts der „Weihnachtsbombardements“ der US-Luftwaffe im Dezember 1972 die Betriebszeitung „Rote Glut“, das Informationsblatt der DKP für die Belegschaft der Hoesch-Werke Bochum, in ihrer Januarausgabe 1973: „Die Vertrauensleuteversammlung des Werks Westfalenhütte der Hoesch-Werke AG schließt sich dem Protest des Vorstandes der IG Metall gegen den Bombenterror der USA auf Nordvietnam an. (…) Wir fordern, dass die USA ihr sinnloses Morden in ganz Vietnam einstellen und das ausgehandelte Friedensabkommen unterzeichnen. (…) Wir schlagen der Ortsverwaltung der IG Metall Dortmund vor, eine Spendensammlung unter den Dortmunder Metall- und Stahlarbeitern zu organisieren und das Geld für den Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer in Nordvietnam zur Verfügung zu stellen“.

In einer Erklärung des Vorstands der DKP zu diesen Weihnachtsbombardements hieß es: „Die Nixon-Regierung macht sich der bisher schwersten Kriegsverbrechen in Vietnam schuldig. Die Bundestagsparteien in diesem Land schweigen zu diesen Kriegsverbrechen der USA und der Friedensnobelpreisträger und Bundeskanzler Willy Brandt erwähnt in seiner Weihnachtsansprache das grauenvolle Verbrechen der Nixon-Regierung in Vietnam mit keinem Wort. Die DKP sagt dazu: „Wer jetzt schweigt, stimmt dem Völkermord zu! Erhebt Eure Stimme und fallt Nixon in den Arm! Fordert die sofortige Unterzeichnung des bereits im Oktober ausgehandelten Friedensabkommens! Erzwingt den Rückzug der US-Truppen aus Indochina!“

Zur Bombardierung der Stadt Haiphong und zur Verminung ihrer Häfen schrieb die Zeitung „Kommunist“ der DKP Hochschulgruppe Karlsruhe 1972: „Diese Maßnahmen der US-Regierung bedeuten eine entscheidende Verschärfung des Krieges in Indochina. Sie bedeuten zugleich eine ungeheuerliche Verschärfung der Kriegsgefahr für die ganze Welt, denn die nordvietnamesischen Häfen werden beständig von Schiffen aus anderen sozialistischen Ländern angelaufen (…).“

Überhaupt: Die Bewegung gegen den Vietnamkrieg spielte an den Hochschulen eine wichtige Rolle. Zu den Gruppen, die mit großer Kontinuität und Standhaftigkeit diese Bewegung vorantrieben, gehörte der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB). Bereits die Ausgabe 4 der Zeitschrift des MSB brachte Vietnam auf die Titelseite. Die Solidarität beschränkte sich aber nicht nur auf gute Worte, markige Reden und Transparente. Der MSB rief die Studierenden an der Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland auf, 1 Prozent des BaFöG für das Kinderkrankenhaus in Hanoi zu spenden. Gleichzeitig wurden die Studierenden aufgerufen, sich in einer Unterschriftensammlung für „Die sofortige Unterzeichnung des Pariser Waffenstillstandsabkommen“ einzusetzen. „Diese Aktionen der Solidarität mit den um Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden Völkern Indochinas werden so lange fortgeführt werden, bis Frieden im Fernen Osten herrscht“, heißt es in einem Sonderblatt der „Roten Blätter“ vom Dezember 1972.

Die politische und materielle Solidarität endete nicht mit dem Rausschmiss der Amerikaner aus Vietnam und dem Sieg der Befreiungskräfte am 30. April 1975 sowie der nachfolgenden Wiedervereinigung im Jahr 1976. Im Gegenteil. Nachdem klar war, dass die Verursacher der fürchterlichen Zerstörungen in Vietnam keinen Cent und keinen Pfennig für den Wiederaufbau bereitstellen, engagierten sich im Jahr 1987 junge kommunistische Arbeiter aus der SDAJ zusammen mit anderen Organisationen in der Initiative für ein Hilfsprojekt, das sich nicht nur in Geld ausdrückte. Es trug den Namen „Hoa Binh – Ein Schiff für Vietnam“. Um Jugendliche in Vietnam im professionellen Fischfang auszubilden, wurde mit vielfältigen Aktionen Geld für ein hochseetüchtiges Schiff gesammelt. Das Schiff wurde dann tatsächlich im August 1988 per Huckepack von Bremen nach Hanoi gebracht und an die Ho-Chi-Minh-Jugend übergeben.

Düsseldorf, Anfang der 1970er Jahre

Düsseldorf, Anfang der 1970er Jahre

( UZ-Archiv)

Die UZ schreibt über die Wirklichkeit in Vietnam

Zu den wichtigsten Elementen der Solidarität mit Vietnam gehört die Berichterstattung der UZ. Während in den 80er Jahren die bürgerliche Presse Vietnam entweder totschweigt oder Korrespondenten, die in Bangkok sitzen, in verleumderischen oder gehässigen Artikeln über Vietnam herziehen, berichtet die UZ über die Wirklichkeit in diesem Land und die Mühen des Wiederaufbaus.

Ein klassisches Beispiel war der V. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams. Die besagten Korrespondenten fabulierten über Machtkämpfe in der KP zwischen Reformern und Traditionalisten.

Das tun sie übrigens heute noch. Im März 1982 reiste eine Delegation der DKP zu diesem Parteitag. „Doch was wir erleben, ist etwas völlig anderes als das, was in den bürgerlichen Zeitungen steht. Wir werden Zeuge, wie die Kommunisten Vietnams mit großer Gelassenheit, Realismus und unbeugsamem Willen um die Lösungen der schwierigen Probleme ringen“, heißt es in einem Artikel in der UZ vom 20. April 1982.

Dieser Parteitag findet in einer Zeit großer Probleme statt. „Schlechte Reisernten haben dazu geführt, dass die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zum Sorgenkind Nr. 1 wurde. Vietnam muss jedes Reiskorn durch vier teilen. Trotzdem leistet Vietnam Bruderhilfe für Laos und Kambodscha – auch das belastet“, berichten die Autoren von ihren Gesprächen mit vietnamesischen Genossen. „Vietnam steht mitten in seiner zweiten Schlacht – auf dem ökonomischen Gebiet.“ Aber sie berichten auch von den Erfolgen beim Wiederaufbau der zerstörten Industrie. Und die UZ ruft in diesem Beitrag erneut auf, für das Projekt „Ha Dong“ zu spenden. Dieses Projekt hatte die Hilfsaktion Vietnam (HAV) ins Leben gerufen. In einem der nördlichsten Stadtteile Hanois sollte durch Spenden aus der Bundesrepublik ein Betrieb zur Herstellung von Nähnadeln gebaut werden. Viele Genossinnen und Genossen waren im Dezember 1981 in den weihnachtlich geschmückten Straßen mit Sammelbüchsen unterwegs, um Geld für die HAV zu sammeln.

Die UZ hatte keinen Korrespondenten in Vietnam, aber sie sprach mit Leuten, die dort waren und mit eigenen Augen und Ohren die Situation erfasst hatten. Zum 10. Jahrestag der Befreiung reiste Jutta von Freyberg nach Vietnam. Die UZ veröffentlichte einen langen Artikel über diese Reise und es ist erschütternd, was sie schreibt: „Für westliche Vorstellungen war es ein ungewohntes, fremdartiges Bild. Die Sieger mit leeren Mägen, geflickter Kleidung und Sandalen aus alten Gummireifen. Und doch hatten sie die Ledernacken das Laufen gelehrt. (…) Im Süden gab es zum Kriegsende drei Millionen Arbeitslose, fast vier Millionen Analphabeten, 250000 Kriegsinvaliden, über eine Million Drogenabhängige und Prostituierte. (…) Und all das sollte möglichst schnell gelöst werden, nun da Unabhängigkeit und Freiheit nach jahrelangem Kampf errungen wurden.“ Aber, so fährt sie fort, „Vietnam lernt“ und dann zitiert sie den vietnamesischen Außenminister Co Thach: „(W)ir lernen aus eigenen Fehlern, aus der Geschichte und den Erfahrungen der Freunde des RGW.“ Einer der ersten Erfolge im Lernen ist die Bildungspolitik. „Nicht nur 14 Millionen Kinder und Jugendliche besuchen jetzt die Schulen gemäß der 1981 eingeleiteten Bildungsreform. Auch der berufsorientierte Unterricht findet statt und die Alphabetisierung der 50 ethnischen Minderheiten.“ Die DDR hatte einen großen Anteil am Aufbau und der Finanzierung des Bildungssystems, also ebenfalls deutsche Kommunisten, wenn auch aus einem anderen Land.

Immer, wenn über Vietnam berichtet wurde, enden die Artikel mit Aufrufen zu Spenden. So auch in einem Artikel in der UZ vom 6. September 1986. Die Leiterin der Hilfsaktion Vietnam, Sybille Weber, berichtet hier über ihr seit 21 Jahren andauerndes Engagement für Vietnam. „Grundsätzlich leisten wir eine Hilfe, die möglichst vielen Menschen zugute kommt. 1965 begannen wir mit Einrichtungen für Krankenhäuser unter der Erde, fahrbaren Sanitätsstationen, Blutplasma, Medikamenten, Chinin, Schulbussen für gehbehinderte Kinder“, so Weber. Die UZ hakt nach und fragt provozierend: „(W)arum braucht Vietnam weiter unsere Hilfe? Hat sich diese Hilfeleistung nicht überlebt?“ Sybille Weber kontert. „Wir haben schon 1965 bei unserer Gründung erklärt: Unsere Hilfe endet nicht, wenn der Krieg eines Tages endlich vorbei ist“ und dann zählt sie auf, was jetzt, zehn Jahre nach Kriegsende, benötigt wird: „Sonargeräte für die Ultraschall-Diagnose für durch Agent Orange geschädigte Frauen in der To-Do-Klinik in Ho-Chi-Minh Stadt oder die Einrichtungen für ein Zahnmedizinisches Zentrum in Hanoi.“

Regelmäßig spricht die UZ auch mit Waltraud Drygalla über die Hilfe des Bremer Solidaritätsbasars. Viele, die sich in diesen Organisationen engagierten, waren aktive Kommunistinnen und Kommunisten. Sie arbeiteten allerdings nie für sich oder im Parteiinteresse, sondern immer zusammen mit Menschen aus dem kirchlichen Umfeld, Gewerkschaftern, Ärzten, Sozialdemokraten. Dies war ein weiteres Kernelement der Solidarität der DKP mit Vietnam. Dies galt und gilt auch für die Freundschaftsgesellschaft Vietnam, die seit 1976 und bis heute sehr kontinuierlich in ihrer Zeitschrift „Viet Nam Kurier“ über Vietnam und seinen Weg zum Aufbau des Landes und zur Bewahrung seiner Unabhängigkeit schreibt.

Ja, es gab Genossen, die nach der Konterrevolution gegen den sowjetischen und osteuropäischen Sozialismus auch die Solidarität mit Vietnam aufgaben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die DKP das Thema der solidarischen Beziehungen zu Vietnam beibehält, ungeachtet aller offenen Fragen bezüglich Vietnam und verschiedener Wege zum Sozialismus. Das Land kämpft heute gegen die neokoloniale Bevormundung auf dem ökonomischen Sektor. In einer Welt des global herrschenden Kapitalismus sieht Vietnam seine Chance darin, selbst zur Wirtschaftsnation aufzusteigen, um den Wohlstand des Volkes, Frieden und Unabhängigkeit zu bewahren. Nicht mit unilateralen Vereinbarungen, sondern multilateralen Handelsabkommen in der ASEAN-Region und auch mit den Großen im politisch-wirtschaftlichen Machtgefüge: China, Russland, der EU und den USA. Solidarität mit Vietnam heute heißt zunächst mal, wie in den Zeiten der 60er, 70er und 80er Jahre, nicht von außen über das Land Urteile zu fällen, sondern sich vorurteilsfrei über das Land zu informieren und die Ansichten der vietnamesischen Genossinnen und Genossen anzuhören.

„Unsere Zeit“ gegen Springers „Welt“

UZ vom 7. Januar 1983:

ADN-Korrespondent Hellmut Kapfenberger enthüllt: Wie die „Welt“ eine Brücke in Hanoi einfach aus der Welt schwindelte. Zitat aus der „Welt“ vom 2. Oktober 1982: „Bereits 1976 versprachen die Russen eine neue Brücke und ließen zwei von 18 Sockeln anlegen – seitdem ruht das Projekt.“ Helmut Kapfenberger, der in Hanoi arbeitete, zeichnete am 30. November 1982 ein anderes Bild: „Knapp zwei Monate später stand ich auf der Baustelle, auf der sich laut „Welt“ (und „FAZ“) nichts rührt. 6 500 Arbeiterinnen und Arbeiter und ca. 500 sowjetische Techniker waren intensiv mit dem Brückenbau beschäftigt. Aus dem Flussbett ragten fix und fertig die 83 Betonpfeiler, die das Betonbett als Eisenbahngleiskörper tragen sollen und auf einem Teil auch schon tragen. Und auch die 13 restlichen Pfeiler auf der Südseite des Roten Flusses waren in Bau.“

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"Unsere Solidarität endet nicht", UZ vom 16. November 2018



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