Die zweite Staffel „Black Summer“ ist angelaufen

Untot im Leerlauf

Einer sieht einen wütenden Menschen und denkt fortan, dass das der einzige Zustand aller Menschen jemals sei. Wer außerirdisch und neu hier auf der Erde ist, dem verzeiht man das. Allen anderen unterstellt man zu Recht, Einzelnes zu verallgemeinern, sich dagegen entschieden zu haben, aus Platons Höhle zu kraxeln, schlicht, blöd zu sein. Dabei hat das Tradition: Thomas Hobbes‘ Auffassung, Menschen seien nur und immer Wölfe, die ihre eigene Gattung reißen, bereitet die philosophische Liegelandschaft dafür, dass man Menschen, die wütend sind, die ihresgleichen umbringen, zur unhintergehbaren Spezieseinrichtung reduziert. Aspekte werden zum großen Ganzen hochgejazzt.

Die Netflix-Serie „Black Summer“ versucht sich spielerisch in jener geistigen Couch-Sportart. Die Handlung ist nicht leicht erzählt, denn es gibt sie nicht. Dass eine Zombie-Apokalypse den Sommer verdunkelt und deshalb alle um ihr Leben rennen, schreien und schießen, ist noch kein Plot. „Black Summer“ versucht es ohne. Auch in der zweiten Staffel, im nunmehr eingekehrten Winter, sind die Erzählstränge mager und abgeknabbert von flitzenden und fletschenden Untoten. Ja, da gibt es Jaime King als mutterinstinktive Rose, die ihre Tocher Anna (gespielt von Zoe Marlett) mit Händen, Füßen und Gewehr schützt. Da gibt es aus der ersten Staffel auch noch Sun (Christine Lee). Die ist stumm – das sind auch alle anderen fast, nur unterbrochen von Gekeife, Geknalle und existenzialistischen Kleindialogen. Sie aber ist so viel stumm, weil sie Koreanisch und kaum Englisch kann. Damit stellt sie die Serie in sich dar: Menschen können viel, nur eben nicht das, was ins Bild passt, indem der Mensch geistig zwar schläft, dabei aber tollwütig schlafwandelt.

Es ist nicht neu, dass Zombie-Serien in die siffige Haut der Aktivstatisten schlüpfen, die für sie eigentlich Kulisse sein sollen. „The Walking Dead“ wird kommendes Jahr mit der elften Staffel endlich ausgelaufen sein. Bis dahin hat die Serie mehr Punkte überschlurft, ab denen sie so gar keinen Sinn mehr ergeben hat, als Angela Merkel auf dem Weg zum Kanzlerinnenamt. Irgendwann wurde klar, dass „The Walking Dead“ auf jedes dramaturgische Handwerk furzt, wie der wandelnde Tod auf das Leben. Eine Serie wurde zum Zombie.

„Black Summer“, das Gegenteil der verplauderten AMC-Serie mit seiner sich ewig ins Gegenteil verkehrenden Legion an Hauptfiguren, steigt direkt im Zombie-Modus ein. Den Noch-Überlebenden folgt man stressgeladen durch die aufwendige Handkamera. Jede Actionszene, die aus ihr herausgehoben wie Gold in etwas schillern würde, das erzählt, knallt nicht, weil sie der Grundton ist. Ich erinnere mich noch an das innere Blumenpflücken, 2006 die Szene aus „Children of Men“ zu sehen, die, Kampfhandlungen aus Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ nachempfunden, einen Ghettoaufstand im zukünftig-heruntergekommenen Bexwill an der englischen Südküste zeigt. Die Perspektive vermittelt die Hektik und die Not, in der sich die Protagonisten befinden. Das Gute an ihr: sie hört (also löst sich) auf.

„Black Summer“ kennt keine Ruhe, also kennt die Serie gar nichts. Was verzeihbarer wäre, wenn sie sich nicht einer modernen Trope bedienen würde, die – so ausgelatscht sie scheint – satt an Menschenkunde ist. Seit der Haitianischen Revolution hat sich im globalen Norden ein Mythos breitgemacht, der für vieles stehen kann: der Zombie ist Ausdruck verblendeter-konsumierender Massen (George A. Romeros „Dawn of the Dead“, 1978, Remake: 2004), rabiater, aber erfolgreicher Antikapitalist („Land of the Dead“, 2005, ebenfalls von Romero), im Wahn enthemmter Nazi („Dead Snow“) und allzeit bereiter Antifaschist („Dead Snow 2“). Neben alldem sind die wiederauferstandenen Flitzer von „Black Summer“ nur Leerläufer. Die zaghaften Versuche, sich an eine Handlung heranzuwagen, machen Hoffnung auf eine dritte Staffel, die ihren beiden Vorläufern in allem nachsteht, was sie ausmachte.

Black Summer
Zwei Staffeln
Abrufbar auf Netflix

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"Untot im Leerlauf", UZ vom 23. Juli 2021



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