Über Missbrauch und andere Verfehlungen der Kirche

Vertuschen, versetzen

Andi Nopilas

Heute ist es nicht mehr so einfach wie ehedem, Kardinal oder Bischof zu sein. So wie für hohe kirchliche Würdenträger das Wort Gottes heute schwerer an Frau und Mann – ganz zu schweigen von diversen, nicht bibelkonformen Zwischenformen, ohne die man zweitausend Jahre gut gefahren war – zu bringen ist, so hilft das Amt inzwischen auch nicht mehr, die eigenen schmutzigen Taten als Wunsch Gottes zu verkaufen.

Auch das Decken der Verfehlungen anderer führt inzwischen, anders als früher, an den Pranger; nichts bleibt einer Gesellschaft verborgen, deren da und dort wenig gottesfürchtiges Gebaren man seitens der Kirchen über Jahrhunderte zuverlässig und in der Regel unwidersprochen als aus moralischer Verkommenheit entstandenen Sündenpfuhl brandmarken konnte. Was also tun, wenn die Lämmer erwachsen werden und als erwachsene Schafe und Böcke sich der Vergangenheit erinnern und nicht mehr schweigen wollen? Taten vertuschen und Täter versetzen.

Der Kölner Kardinal Woelki verfährt nach dem Motto, dass, was nicht gewusst wird, keinen Schaden macht. Also hat er für seine Diözese ein Missbrauchsgutachten in Auftrag geben lassen, das im Idealfall die groben Schnitzer auslässt. Ließ es wohl nicht in gewünschter Weise, weshalb es 2020 wegen „methodischer Fehler“ zurückgehalten wurde. Angefordert wurde vom Kardinal ein neues Gutachten einer anderen Kanzlei. Damit dieser Winkelzug nicht zu bösartigen Rückschlüssen führt, schaltete Woelki eine PR-Agentur ein, die solche Vermutungen zerstreuen sollte.

Der 2017 verstorbene deutsche Bischof von Santo Domingo in Ecuador, Emil Stehle, hat dagegen eine besondere Art der Rattenlinie installiert. Wo nach 1945 (auch schon mit Hilfe der Katholischen Kirche) Nazis nach Südamerika geflohen sind, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen, so sind es seit den sechziger Jahren verschiedene unter Missbrauchsverdacht stehende „Gottesmänner“ gewesen, die Stehle nach Paraguay und Ecuador holte – mit Hilfe von „Adveniat“ und deren 1971 gegründeter Stelle „Fidei Donum“. „Fidei Donum“ entsendet Priester in Austauschprogrammen nach Lateinamerika und Bischof Stehle nutzte diese Programme, um missbrauchenden Priestern aus der strafrechtlichen Verantwortung zu helfen.

Die Nazi-Rattenlinie hieß anfangs übrigens „Klosterroute“. Tradition verpflichtet.

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"Vertuschen, versetzen", UZ vom 19. August 2022



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