Markus Bernhardt über die Bundeswehr

Wegtreten!

Neofaschistische und rassistische Aktivitäten, sexuelle Übergriffe, Saufgelage, Suizide, erniedrigende und sadistische Aufnahmerituale unter Soldaten – die Liste der Bundeswehrskandale ist lang. Den perfidesten Skandal dürfte jedoch trotz alledem die Rekrutierung Minderjähriger durch die deutsche Armee darstellen. Deren Zahl steigt seit Jahren an. Waren es 2018 noch 1.679 17-Jährige, die den Dienst bei der Bundeswehr antraten, sind es im vergangenen Jahr schon 1.706 Minderjährige, wie aus dem jüngst vorgestellten Bericht des sogenannten Wehrbeauftragten des Bundestags, Hans Peter Bartels (SPD), hervorgeht.

Während über 150 Länder die Anerkennung des internationalen 18-Jahre-Standards bei Rekrutierungen einhalten, sieht sich die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD daran nicht gebunden.

Um die Personalsituation der deutschen Angriffskrieger – und auch Angriffskriegerinnen – scheint es schlecht bestellt zu sein. Selbst jugendgerechte Videoformate, moderne Magazine und Werbestände auf Berufsbildungs- und Computerspielmessen scheinen bisher nicht die gewünschten Rekrutierungserfolge mit sich zu bringen, so dass die Bundeswehr ihre Tore allzu gern für Minderjährige – andernorts und auch laut internationaler Definition übrigens zu Recht Kindersoldaten genannt – öffnet.

Nun handelt es sich weder beim Dienst an der Waffe noch bei zu „Auslandseinsätzen“ umgedeuteten Kriegseinsätzen um Abenteuerspiele oder Funsport. Der Soldatenberuf ist und bleibt – angelehnt an das berühmte Zitat Kurt Tucholskys – im Zweifel mörderisch.

Qua Eid ist die Bundesregierung verpflichtet, „Schaden vom deutschen Volk“ abzuwenden. Das gilt erst recht für besonders Schutzbefohlene, also Minderjährige. Zum Schutz der Jugend, aber auch um unser aller selbst willen, tut Aufklärung dringend Not. Die gewollte Enthemmung der Jugendlichen muss gestoppt werden. Wo immer Militärs an Schulen, auf Bildungs-, Berufs-, oder Jugendmessen fürs Sterben werben wollen, müssen sie auf entschiedenen Widerstand von Antimilitaristen und Kriegsgegnern stoßen. „Bundeswehr? Wegtreten!“, sollte dann lautstark zu vernehmen sein.

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"Wegtreten!", UZ vom 7. Februar 2020



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