Wer Rentner quält, wird nicht gewählt!

Werner Sarbok im Gespräch mit Reiner Heyse:

Seniorenaufstand

Politiker die nichts gegen systematische Altersverarmung unternehmen, sind für uns nicht wählbar!

Wir werden in Zukunft keinem Politiker mehr unsere Stimme geben, der nicht bereit ist, den Kurs zur massenhaften Altersarmut umzudrehen. Wählbar sind für uns nur noch Politiker, die sich dafür einsetzen, die umlagefinanzierte Rente in den alten Stand zurück zu versetzen.

Ziel muss wieder sein: Lebensstandardsicherung im Rentenalter. Anhebung der Rente auf mindestens 53 Prozent des Nettoeinkommens der aktiv Beschäftigten!

Diesen Aufruf hat die Kampagne „Seniorenaufstand“ vor zweieinhalb Jahren gestartet, auf der homepage www.seniorenaufstand.de kann er auch online unterzeichnet werden. Darüber hinaus bietet er umfangreiche Informationen über die Hintergründe der Kampagne.

UZ: Wie hat sich der „Seniorenaufstand“ in diesen zweieinhalb Jahren entwickelt?

Reiner Heyse: Der Aufruf erntete zunächst viel Aufmerksamkeit und Unterstützung. Cirka 30 Seniorenarbeitskreise aus anderen Gewerkschaften und Orten griffen die Kampagne auf und sammelten Erklärungsunterschriften. Im norddeutschen Raum wurde ein Koordinierungskreis gewerkschaftlicher Seniorenarbeitskreise mit Beteiligung von SPD 60+-Leuten ins Leben gerufen und zusammen mit anderen seniorenpolitischen Gruppen aus dem süddeutschen Raum wurde die Internetplattform www.rentenpolitikwatch.de ins Netz gestellt.

Eine ganz wichtige Entwicklung nahm unsere Initiative in Richtung gewerkschaftlicher Willensbildung. Auf den Gewerkschaftstagen der IG Metall und von ver.di war das Rententhema durch sehr viele Anträge aus allen Regionen der Republik ein zentrales Thema. Daran hatten wir einen guten Anteil. In der Folge beschlossen die Vorstände des DGB, der IG Metall und ver.di eine Rentenkampagne im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 zu organisieren. Ziel: Stärkung der gesetzlichen Rente und Bekämpfung der Altersarmut.

UZ: Welche Ursachen hat die Altersarmut?

Reiner Heyse: Altersarmut hat es ja schon immer gegeben und war noch nie akzeptabel. Die dramatische Entwicklung der letzten zehn bis zwölf Jahre führte zu einer Verdoppelung der Rentner die zusätzlich Grundsicherung beziehen und zu einer über 50prozentigen Zunahme der armutsgefährdeten Rentner von zehn auf 16 Prozent. Diese dramatische Entwicklung bildet aber nur den Anfang einer katastrophalen Entwicklung. Die Ursachen sind hierfür hauptsächlich:

– die systematische Absenkung des Rentenniveaus

– Gesetzesänderungen, mit denen staatliche Ersatzleistungen bzw. Aufstockungen für Langzeitarbeitslose, Niedriglohnempfänger und Ausbildungszeiten gestrichen wurden

– die enorm angewachsene Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse und unterbrochenen Erwerbsbiografien (zur Zeit etwa acht Millionen)

– das drastisch abgesenkte Erwerbsminderungsrenten-Niveau bzw. das Streichen der Berufsunfähigkeitsrente.

UZ: Wie wird sich die Situation für die RentnerInnen entwickeln?

Reiner Heyse: Durch die Riester- und Rürup-Gesetze wird das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 weiter sinken, auf dann voraussichtlich 43 bis 44 Prozent. Die nachgelagerte Besteuerung wird dann dafür sorgen, dass das Netto-Rentenniveau um 25 Prozent bis 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 gesenkt sein wird. Gut nachvollziehbare Berechnungen des WDR aus dem April dieses Jahres sagen voraus, dass die Zahl der armen Rentner 2030 auf über zehn Millionen angewachsen sein wird.

UZ: Wird das so kommen?

Reiner Heyse: Wenn wir die Gesetze nicht geändert bekommen, wird es so sein. Die Politiker müssen diese unsozialen neoliberalen Gesetze ändern, sonst passiert mehr als dass die SPD bei den Wahlen unter 15 Prozent rutscht.

UZ: Bundesarbeitsministerin Nahles hat in den vergangenen Tagen ein Rentenprogramm vorgelegt. Ist dieses Programm für euch akzeptabel?

Reiner Heyse: Das Nahlessche „Gesamtkonzept zur Altersversorgung“ ist für uns eine Kampfansage. Mit ihm wird das Dreisäulenmodell nicht nur weitergeführt, es wird noch verschärft, ganz im Sinne der neoliberalen Ideologen. Die dritte Säule, die private Vorsorge, wird ausgebaut. Die Riester-Rente ist nach dem Willen der Bunderegierung nicht etwa gescheitert, sondern wird mit weiteren Milliarden Steuergeldern noch stärker subventioniert als bisher.

Die zweite Säule, die betriebliche Altersversorgung, wird obligatorisch gemacht. Sie basiert nach dem „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ so gut wie ausschließlich auf Entgeltumwandlung. Sie ist also alles andere als eine Betriebsrente, sondern ein weiterer Zweig der privaten Vorsorge. Auch der wird mit weiteren Milliardenbeträgen kräftig aus Steuermitteln subventioniert.

Diese Gesetzesmaßnahmen zum Ausbau der zweiten und dritten Säule werden entsprechend den Forderungen der deutschen Versicherungswirtschaft, zwischen 20 und 30 Milliarden Euro jährlich und zusätzlich auf die Konten der Versicherungskonzerne lenken. Die profitsprudelnde Ölquelle bekommt einen enormen zusätzlichen Treibsatz.

Das Ganze schwächt die 1. Säule, die umlagefinanzierte Rente zwangsläufig. Zusätzlich werden die gesparten Milliarden der Binnennachfrage entzogen. Ein riesiger ökonomischer Schaden zu Lasten des Lebensstandards der arbeitenden Menschen und weiterer Arbeitslosigkeit. Die Haltelinien von Frau Nahles (46 Prozent Rentenniveau; 25 Prozent Beitragssatz) sind nur zur Ablenkung geeignet.

Es gibt zwei bis drei Punkte die zumindest in die richtige Richtung gehen. Die meisten Punkte, die die erste Säule betreffen, sind jedoch die private Position der Ministerin. Sie werden von der Koalition definitiv nicht umgesetzt und mit der Partei sind sie auch nicht abgestimmt.

UZ: Wie arbeitet euer Netzwerk nun weiter?

Reiner Heyse: Wir werden uns stark in den Bundestagswahlkampf nächstes Jahr einmischen. Wir beteiligen uns natürlich an den Rentenkampag­nen unserer Gewerkschaften und werden die Internetseite www.rentenpolitikwatch.de nutzen, um Politiker unter Druck zu bringen und den Wählerinnen und Wählern Transparenz und damit Wahlentscheidungshilfen geben: „Wer Rentner quält wird nicht gewählt!“ oder auch „Wer unsere Zukunft zerbricht, den wählen wir nicht!“

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"Wer Rentner quält, wird nicht gewählt!", UZ vom 9. Dezember 2016



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