Tausende demonstrierten gegen Kriegspolitik der Bundesregierung

Wieder Weltmachtträume

Am 1. Oktober zog es trotz Wind und Wetter Tausende auf die Straße, um gegen Hochrüstung und Kriegspolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Der Aktionstag der Friedensbewegung fand aus Anlass der Haushaltsberatungen im Bundestag statt, die Ende November fortgesetzt werden. Lühr Henken, einer der Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag, machte in seiner Rede in Berlin, die aus Krankheitsgründen verlesen werden musste, unter der Fragestellung „Wieder Weltmachtträume?“ auf die Dimensionen aufmerksam: „Wenn die Ampel sich selbst beim Wort nimmt, werden die deutschen Militärausgaben förmlich explodieren und die 100-Milliarden-Euro-Grenze in zwei oder drei Jahren durchbrechen.“ Damit werde ein langfristiger Plan verfolgt. Wie der aussehe, habe Kanzler Olaf Scholz Ende Mai verkündet: „Deutschland wird in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der NATO verfügen.“ Die SPD-geführte Bundesregierung formuliere damit nichts weniger als den Anspruch, die EU mit Deutschland an der Spitze zu einer militärischen Weltmacht zu machen, so Henken.

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Frankfurt am Main (Foto: Jan Mayer)

Die Eskalation des Krieges in der Ukraine, ein Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland, und die drohende Massenverarmung in diesem Land als Folge des Wirtschaftskrieges haben weitere Schwerpunkte gesetzt, die sich in den Reden widerspiegelten. Konsens waren das „Nein“ zu Waffenlieferungen an die Ukraine und der Appell, den Krieg über Verhandlungen schnellstmöglich zu beenden. Viele forderten zudem das Ende der Sanktionen gegen Russland – für Heizung, Brot und Frieden. Eindringlich warnten Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) vor den Gefahren eines 3. Weltkrieges mit Europa als atomarem Schlachtfeld. Die Mahnung war klar: Im Fall eines Atomkriegs werden wir Ärztinnen und Ärzte Euch nicht helfen können“, so Christoph Krämer auf der Kundgebung in Berlin. In Hamburg verwies Reiner Braun vom „International Peace Bureau“ auf die ökologische Krise: „Nicht zuletzt versifft das Handeln der Regierung alle Versuche, eine klimagerechte Politik zu gestalten. Klimagerechtigkeit bedeutet Abrüstung und Frieden.“ Braun endete zuversichtlich: „Frieden ist erreichbar – Abrüstung werden wir erzwingen!“

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Köln (Foto: Karl-Reiner Engels)

Der Bundesausschuss Friedensratschlag und die Friedenskooperative, die gemeinsam zu dem dezentralen Aktionstag aufgerufen hatten, zogen trotz der überschaubaren Teilnehmerzahl am Montag eine positive Bilanz: In rund 30 Städten fanden Demons¬trationen und Kundgebungen statt. Die größten Veranstaltungen gab es demnach in Hamburg mit 1.500, in Berlin mit 1.200 und in Stuttgart mit rund 1.000 Teilnehmern. In Uedem bei Kalkar demonstrierten am 3. Oktober zudem rund 300 Kriegsgegner gegen die dortige NATO-Kommandozentrale.


Weitere Informationen und die Reden vom 1. Oktober, die wir auf dieser Doppelseite in Auszügen dokumentieren finden sich unter: friedenskooperative.de/aktionstag


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Berlin (Foto: Rudi Denner)

Pulli gegen Putin?

Auszüge aus der Rede von Barbara Majd Amin, GEW, in Berlin

Letzte Woche sah ich beim Klima­streiktag die Losung: „Pulli gegen Putin“. Ihr habt richtig gehört: Pulli gegen Putin. So haben es Habeck & Co. gern. Solche Mitbürger sind ganz nach ihrem Geschmack. Abgesehen davon, dass niemand so schnell stricken kann, dass er diesen Winter ausreichend gegen Kälte gerüstet wäre – vor dem Frieren können wir uns ganz einfach schützen: Nicht mit Rekordstricken, sondern indem die Gaslieferverträge mit Russland wieder verhandelt und wieder in Kraft gesetzt werden. Deshalb fordern wir: Stoppt den Wirtschaftskrieg!

Aber warum sind diese Lieferverträge überhaupt gekündigt worden? Da scheint große Verwirrung zu herrschen. Wahrscheinlicher als Verwirrung ist aber wohl, dass sie Nebelkerzen mit verteilten Rollen werfen. Habeck am 25. Februar: „Das EU-Sanktionspaket ist gedacht gewesen, um den Krieg zu verhindern. Nun soll es seinen Beitrag leisten, um die Chance für Diplomatie zu eröffnen.“ Man reibt sich erstaunt die Augen: Mit Verhandlungen und mit Entspannungspolitik hätte dieser Krieg verhindert werden können – davon bin ich fest überzeugt. Aber der Westen hat genau das Gegenteil getrieben – jahrzehntelang: Sie haben nacheinander alle essentiellen Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge gekündigt, sie haben Sanktionen gegen Russland verhängt und nach und nach alle diplomatischen Kanäle geschlossen – alles vor dem 24. Februar. Und jetzt eskalieren sie weiter – mit Waffenlieferungen und massiver Aufrüstung und eben mit Wirtschafts- und Energiekrieg. Die Folgen sind verheerend, weltweit – und auch hier bei uns. Damit muss endlich Schluss sein.

Am gleichen Tag, an dem Habeck von Diplomatie fantasierte, sagte die deutsche Außenministerin:
„Wir reagieren darauf (auf den Krieg) mit einer ganz klaren Ansage: Das wird Russland ruinieren.“

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Berlin (Foto: Rudi Denner)

Nach so viel politischer Inkompetenz und Ignoranz möchte wohl die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nicht zurückstehen. Sie verkündet dreist: „Putin nutzt Gas als Waffe.“ Der EU-Abgeordneten, die die unbezahlbaren Energiepreise anprangert, rät von der Leyen: „Schicken Sie ihre Rechnung doch nach Moskau!“ Das ist die Methode des Diebes, der auf andere zeigt und laut „haltet den Dieb“ schreit. USA, EU und Deutschland stoppen mit Sanktionen gegen Russland die Öl- und Gaslieferungen und beschuldigen dann Russland, es nutze Gas und Öl als Waffe.

Nein, Frau von der Leyen, wir schicken die unbezahlbaren Rechnungen dorthin, wo die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker sitzen: nach Berlin zur Ampelregierung, nach Brüssel zur EU-Kommission und nach Washington. Dort sitzen die, die profitieren und ihre Konzerne profitieren lassen. Dort sitzen die, die den Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland in der Ukraine Tag für Tag noch anfeuern, um Russland zu ruinieren. Dort sitzen die, die uns mit ihrem Wirtschaftskrieg und massiver Aufrüstung ruinieren werden, wenn wir nicht dagegen aufstehen.

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Köln (Foto: Karl-Reiner Engels)

Der Elefant im Raum

Auszüge aus der Rede von Christoph Krämer, IPPNW, in Berlin

Ein Friedenschluss durch Verhandlungen ist jetzt alternativlos. Fünf Vorschläge, wie wir den Weg dahin ebnen können:

  1. Den Weg in den Krieg verstehen – um einen Weg heraus zu ermöglichen: (…) Für Moskau hatte der fortschreitende NATO-Griff nach der Ukraine und damit nach seiner Schwarzmeer-Flottenbasis auf der Krim das Fass des westlichen Vormarsches zum Überlaufen gebracht. Seine Forderungen von Dezember 2021 waren verhöhnt statt ernsthaft beantwortet worden. (…) Es liegen mehrere fundierte Ansätze für Verhandlungen auf dem Tisch – aus Italien, dem Vatikan, aus Mexiko und Südafrika. Was wir durchbrechen müssen, ist die jahre- und jahrzehntelange Weigerung, Russland mit seinen Sicherheitsinteressen ernst zu nehmen.
  2. Begriffe zurechtrücken – wieder selbst Besitz von der Sprache ergreifen: Die UN-Charta hat für das geschilderte jahrelange Vorrücken gegen Russland keinen Begriff. KSZE-Schlussakte und OSZE-Charta hingegen verbieten die militärische Expansion in Nachbarstaaten. Dies sollten wir als „Aggression neuen Typs“ beim Namen nennen und ihre Beendigung fordern.
    Das sogenannte „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung ist kein Vermögen, sondern es gründet auf Schulden. Faktisch handelt es sich somit um Kriegskredite. Ihre Refinanzierung wird durch Enteignung mittels Inflation erfolgen. Seit dieser Woche kommt noch ein weiteres „Sondervermögen“ hinzu: Weitere 200 Milliarden Euro zusätzliche Kriegskredite.
  3. Verwechslungen und Verdrehungen entgegentreten: Das Argument gegen die Thematisierung des gravierenden westlichen Beitrags zum Weg in den Krieg lautet stets, das relativiere die Schuld Russlands: Ein Angriffskrieg lasse sich durch nichts rechtfertigen. Ja, richtig, er lässt sich nicht rechtfertigen! Nur: Wer Sachanalyse mit Rechtfertigung verwechselt und so moralisch denunziert, versteht entweder nichts von Politik oder betreibt Vernebelung seiner Eskalationsagenda.
    Ablehnen sollten wir zudem die Verwechslung von „Solidarität mit der Ukraine“ mit Waffen für den NATO-Mann Selenski; Solidarität im Krieg heißt Rettung von Menschenleben und Schutz von Deserteuren. Den Missbrauch des wichtigen Begriffs Solidarität sollten wir nicht zulassen.
  4. Die Eskalation des Krieges befeuert die Zerstörung des Klimas und damit von unser aller Lebensraum. Lasst uns dies täglich anprangern! (…)
  5. Appell an alle Sozialpolitikerinnen und -politiker – und zwar auch an die der „Linken“ –, die jetzt notgedrungen immer mehr und immer größere „Entlastungspakete“ fordern. Fast stets wird dabei vergessen, den „Elefanten im Raum“ als Ursache des Desasters zu erwähnen: Den Krieg und seine Eskalation – einschließlich des Wirtschaftskrieges gegen Russland. Den Elefanten müssen Sie – bitte! – jedes Mal beim Namen nennen! Die entscheidende Maßnahme zur „Entlastung der Menschen“ ist doch das Ende der Kriegseskalation, einschließlich des Wirtschaftskrieges!

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Stuttgart (Foto: DKP Stuttgart)

Der Krieg kommt nach Deutschland

Auszüge aus der Rede der SDAJ in Stuttgart

Keine andere Regierungspartei benennt so deutlich wie die Grünen, was die groß angekündigte Zeitenwende tatsächlich bedeutet. Aber es ist doch die Politik der gesamten Ampelregierung, die sagt: Keiner soll hungern, ohne zu frieren.

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Köln (Foto: Karl-Reiner Engels)

Während Verbraucher blechen, machen sich Energie-Riesen die Taschen voll. Die Ölkonzerne Shell und Total verbuchen Quartalsgewinne, die die Gewinne vom Vorjahr in Milliardenhöhe überbieten. Neben Hensoldt, Rheinmetall, Heckler & Koch macht auch die US-amerikanische Militärindustrie durch die Aufrüstung der Bundesrepublik Milliardengewinne. So werden im Rahmen des 100-Milliarden-Pakets zum Beispiel F35-Tarnkappenbomber angeschafft. Diese Todesmaschinen wären dazu in der Lage, die US-amerikanischen Atombomben, die wir die Amis hier in Büchel einlagern lassen, abzuwerfen.

Sollte sich der Ukrainekrieg zum Kriegsschauplatz Europa ausdehnen – und die deutsche Regierung scheint sehr darum bemüht –, so wären wir hier in Deutschland ganz schnell mit dabei. Mit den US-Kommandozentralen EUCOM und AFRICOM, den zentralen Koordinationsstellen des US-Imperialismus, die wir uns ebenfalls freundlicherweise in Stuttgart haben hinstellen lassen, wären wir militärisches Angriffsziel. Dieselbe Arroganz, die man Kanzler Scholz unterstellen kann, wenn er davon spricht einen Diktatfrieden mit Russland nicht akzeptieren zu können, dieselbe Arroganz müssen wir auch der US-Regierung im Umgang mit der Frage von Krieg und Frieden in Europa unterstellen. Führende Militärs in den USA diskutieren, wie ein auf Europa lokal beschränkter Atomkrieg führ- und gewinnbar wäre. Für uns in Europa dürfte klar sein, dass wir in einem solchen Krieg nur Verlierer sein können.

  • Kein Frieren für die NATO!
  • Energiekonzerne enteignen und unter demokratische Kontrolle bringen!
  • Kein weiteres Drehen an der Eskalationsspirale!
  • Milliarden für Bildung und Gesundheit statt fürs Sterben!
  • Keine Sanktionen gegen Russland!
  • Kooperation statt Konfrontation – Verhandeln statt Schießen.

4013 Berlin Denner5 - Wieder Weltmachtträume - 1. Oktober, Aktionstag, Barbara Majd Amin, Berlin, Bundesausschuss Friedensratschlag, Christoph Krämer, DKP, Frankfurt am Main, Friedensbewegung, Handwerker für den Frieden, Kalkar, Kampf für Frieden, Karl Krökel, Köln, Netzwerk Friedenskooperative, SDAJ, Stuttgart - Hintergrund
Berlin (Foto: Rudi Denner)

Mit gesundem Menschenverstand

„Handwerker für den Frieden“ demonstrieren gegen Sanktionen und für Verhandlungen mit Russland

Na endlich. „Spiegel-online“ durfte die „erste Querfront im ‚heißen Herbst‘“ verkünden. „Seit Monaten wurde es befürchtet, jetzt wurde es Realität“, so das Online-Portal am Abend des 1. Oktober: „Eine als ‚Handwerker‘-Protest getarnte Demo Rechtsextremer verschmolz in Berlin mit einer Veranstaltung linker Friedensaktivisten.“ Ein paar Beobachtungen gegen die gezielte Desinformation: Dem Aufruf der „Handwerker für den Frieden“ zu einer Kundgebung am 1. Oktober vor dem Berliner Fernsehturm folgten knapp 800 Teilnehmer, die sich auf Schildern und Transparenten vor allem gegen den Wirtschaftskrieg gegen Russland und seine Folgen positionierten. Auch Friedensfahnen und Anti-NATO-Schilder waren zu sehen. Nazi-Parolen oder -Schilder gab es keine – wohl aber zwei Deutschland- und eine sogenannte Pegida-Fahne. Und auch Rechtsaußen Jürgen Elsässer durfte sich mit einem Titelbild seiner Zeitschrift „Compact“ neben der Bühne in Szene setzen. Im wahrsten Sinne des Wortes nicht schön, aber nicht dominierend. Die rechte Gruppe „Zentrum Automobil“, die eine Stunde später auf der Demonstration der Berliner Friedenskoordination (Friko) am Neptunbrunnen provozierte, war bei den Handwerkern nicht zu sehen. Die Polizei, die vom Veranstalter der Friko-Demo Uwe Hiksch (Naturfreunde) aufgefordert wurde, die Rechten von der Veranstaltung auszuschließen, verweigerte das. Ein solches Eingreifen verstoße gegen die Meinungsfreiheit. Selbst die NPD könne mitlaufen, wenn sie wolle. So wird „Querfront“ gemacht. Karl Krökel, Kreishandwerksmeister aus Dessau-Roßlau, der die Initiative „Handwerker für den Frieden“ ins Leben gerufen hat, hatte Elsässers „Compact“ im Vorfeld der Kundgebung ein Interview gegeben. Damit hat er sich und seiner Initiative keinen Gefallen getan und das offenbar auch gemerkt. Nach Informationen der UZ hat sich Krökel von dem Interview distanziert. Es wäre fatal die „Handwerker für den Frieden“ Rechten zu überlassen. Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge der Rede Krökels, die er in Berlin unter großem Beifall der Kolleginnen und Kollegen gehalten hat.
WR

Wir sind hier, weil

  • wir Sorge haben vor einer massiven Schädigung unserer Wirtschaft, einhergehend mit Massenarbeitslosigkeit, die es seit 1945 nicht mehr gegeben hat,
  • wir Sorge haben, dass die Bürger ihre Gas- und Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können,
  • wir Krieg als Mittel der Politik ablehnen,
  • wir der Wahrheit eine Stimme geben müssen und uns nicht mundtot machen lassen,
  • wir den Vorwurf, wir würden Narrative verbreiten, die mit der russischen Propaganda übereinstimmen, entschieden zurückweisen,
  • weil in den Medien der Diskursraum zunehmend verengt wird. (…)

Wenn etwa wir Handwerker, die mit gesundem Menschenverstand argumentieren, es uns erlauben zu fragen, ob Waffenlieferungen an die Ukraine nicht eher Konfliktbeschleuniger sind, und uns dann unterstellt wird, damit werde dem russischem Narrativ gefolgt oder wir sogar als „Putinfreunde“ diffamiert werden, dann wird eine rationale, strategische Diskussion verunmöglicht. Es ist ebenso denkbar, dass Russland uns aufgrund immer mehr westlicher Waffenlieferungen als Kriegspartei betrachtet und wir am Ende doch in einem Krieg mit Russland landen. Dass dieser am Ende nuklear eskalieren könnte, ist zumindest eine ernstzunehmende Annahme, die nicht einfach vom Tisch gewischt werden kann. Auch die Debatte um die Ursachen dieses Krieges und die westlichen Versäumnisse kann in diesem Land kaum noch nüchtern geführt werden. Allein die Frage zu stellen, gilt vielen bereits als das Betreiben des Geschäfts Moskaus. (…)

Wer eine komplette Niederlage Russlands oder einen Rückzug hinter die Grenzen vom 24. Februar 2022 zum Ziel hat beziehungsweise als Voraussetzung für eine Friedenslösung erklärt, der hilft der Ukraine nicht, sondern landet letztlich im Krieg mit Russland. Hier sind Kreativität und der Willen gefragt, Politik vor vermeintlichen Lösungen auf dem Schlachtfeld zu setzen. Davon sind wir aber mit dieser Ampel – in Gefolgschaft zu den USA – weit entfernt und auch deshalb sind wir heute hier, um das zu verändern und um aus der Sackgasse rauszukommen.

Wir müssen jetzt eine Politik einfordern, die sich an den wirklichen Notwendigkeiten orientiert und dieses Land mit Energie versorgt, und zwar eine Energie, die auch bezahlbar ist und den Wettbewerb nicht gefährdet. (…)

Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, bezahlbare Heiz- und Stromkosten und Lebenshaltungskosten. Wie kann zugelassen werden, dass ältere Bürger in Heimen oder zu Hause darauf vorbereitet werden, dass sie im Winter frieren?

Putin hat den schrecklichen Krieg mit der Ukraine begonnen. Aber den Wirtschaftskrieg hat der Westen begonnen, und zwar lange vor dem Krieg in der Ukraine. Unsere großartige Außenministerin hat klar das Ziel verkündet, Russland zu ruinieren. Richtig ist eins: Das Gasembargo, das uns jetzt besonders zusetzt, das hat nicht die EU oder die Ampel beschlossen. Das ist die russische Reaktion auf die Sanktionen des Westens. Aber hätten wir mit diesen Reaktionen nicht früher oder später rechnen müssen, als man die Sanktionspakete ins Rollen brachte? Jetzt ist das Geschrei groß: Putin ist kein verlässlicher Lieferant, er setzt Gas als Waffe ein. Ja, das ist das Wesen eines Wirtschaftskrieges, da werden Waren boykottiert, und solche Boykotte als Waffe eingesetzt, genau das machen wir ja auch. Und wie kann man ernsthaft glauben, dass man ein Land mit beispiellosen Sanktionen überziehen kann, all die Güter ausklammern, die man selber unbedingt braucht, und denken, da gibt es keine Gegenreaktionen? (…)

Um die entscheidenden Debatte, die die Regierung führen müsste, drückt sie sich: Kann die Bundesregierung diese Situation beenden? Wir sagen ja, sie muss es, sie ist dazu verpflichtet. (…) Das, was einen ehrbaren Handwerker ausmacht: Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Können – das erwarten wir eigentlich von der Politik!

Die komplette Rede gibt es unter: kurzelinks.de/handwerkerrede

Kalkar - Wieder Weltmachtträume - 1. Oktober, Aktionstag, Barbara Majd Amin, Berlin, Bundesausschuss Friedensratschlag, Christoph Krämer, DKP, Frankfurt am Main, Friedensbewegung, Handwerker für den Frieden, Kalkar, Kampf für Frieden, Karl Krökel, Köln, Netzwerk Friedenskooperative, SDAJ, Stuttgart - Hintergrund
Kalkar (Foto: DKP Dortmund)

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Wieder Weltmachtträume", UZ vom 7. Oktober 2022



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