Erinnerung an einen kommunistischen Landrat

Wilhelm Hammann ist unvergessen

Aus „blickpunkt“, Zeitung der DKP für Mörfelden-Walldorf, Juli 2

Vor 60 Jahren, am 25. Juli 1955, verunglückte Wilhelm Hammann tödlich. Hammann war Kommunist und der erste Landrat nach 1945 im Kreis Groß-Gerau.

Wilhelm Hammann wurde am 25. Februar 1897 in Biebesheim geboren. Er wurde Lehrer, war KPD-Landtagsabgeordneter. In der Zeit des Faschismus inhaftierte man ihn. Er wurde durch Zuchthäuser und Konzentrationslager geschleppt. Im KZ Buchenwald rettete er 159 jüdische Kinder vor dem Todesmarsch. Die israelische Stiftung in Yad Vashem ehrte ihn dafür 1984 mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“.

„Der vergessene Landrat“, hieß es in der Presse. Ja, man wollte ihn vergessen, verdrängen. Die antifaschistische Grundstimmung nach 1945 währte nicht lange. Die USA, die gemeinsam mit der Sowjetunion in der Anti-Hitler-Koalition den deutschen Faschismus niedergerungen hatten, traten zunehmend gegen ihren vormaligen Bundesgenossen auf. Der britische Premierminister Churchill kommentierte das Ergebnis des zweiten Weltkrieges mit den Worten: „Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.“ Es kam der kalte Krieg.

Wilhelm Hammann war als Kommunist wegen seiner Konsequenz und Beliebtheit der Militärregierung bald ein Dorn im Auge. Als Bundesgenossen suchte man sich in der jungen Bundesrepublik schon bald diejenigen, die schon „Osterfahrung“ hatten: die deutschen Nazis. Der Leiter der Abteilung „Fremde Heere Ost“ im faschistischen Geheimdienst, General Gehlen, trat genauso in die Dienste der Amerikaner wie Wernher von Braun, der Leiter der V-Waffen-Produktion im KZ Dora-Mittelbau. Ebenso Klaus Barbie, der Schlächter von Lyon und viele andere.

Das entstehende Klima des Kalten Krieges duldete keine Kommunisten im öffentlichen Dienst. So wurde der kommunistische Landrat eines der ersten Opfer der Kommunistenjäger. Es wurde eine böse Intrige gebastelt, über deren Einzelheiten immer noch nicht alles bekannt ist. Auslöser war vermutlich die Tatsache, dass Hammann gegen einen US-Offizier vorging, der für das Krankenhaus bestimmte Lebensmittel für den eigenen Gebrauch beschlagnahmte, und es liegt auch der Verdacht nahe, dass seine öffentliche Forderung an die Militärregierung, die Nazis aus der Opel-Betriebsleitung zu entfernen, Grund für eine erneute Verfolgung war.

Auf Veranlassung des US-Offiziers wurde Hammann verhaftet, aber im Februar 1946 von einem amerikanischen Militärgericht freigesprochen.

Inzwischen wurde die Landratsstelle mit einem Sozialdemokraten besetzt. Die US-Militärbehörden holten trotzdem zum zweiten Schlag aus. Am 22. März 1946 holte die Militärpolizei Hammann erneut ab. Nicht die Nazi-Direktoren von Opel kamen hinter Schloß und Riegel, sondern der Antifaschist und Landrat Hammann. Er wurde in das US-Internierungslager in Darmstadt eingeliefert, kam anschließend nach Dachau. Bis im Mai 1947 blieb er in Haft – ohne Haftprüfungstermin.

Die Würdigung von Wilhelm Hammann im Kreis Groß-Gerau ist eine endlose und teilweise blamable Geschichte. Nach der Ehrung in Israel landete die Ehrenurkunde von Yad Vashem zunächst in einer Vitrine im Landratsamt und wurde dort gemeinsam mit den Urkunden für Hühnerzüchter ausgestellt. Lange Zeit wurde Wilhelm Hammann in der Fotogalerie der ehemaligen Landräte ausgespart. Die Sozialdemokraten waren halbherzig und zögerlich und ließen sich von einer bösartig agierenden CDU abschrecken.

Der „blickpunkt“ hat zum Thema viel veröffentlicht. Eine Broschüre zum Herunterladen gibt es auf unserer Webseite: dkp-mw.de/publikationen

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"Wilhelm Hammann ist unvergessen", UZ vom 10. Juli 2015



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