In Bad Kreuznach wird nicht nur die kommunale Demokratie ausgebremst

Zweifelhafte Re-Kommunalisierung des ÖPNV

Ein funktionierender, preisgünstiger ÖPNV ist Daseinsvorsorge und in Rheinland-Pfalz kommunale Pflichtaufgabe. Könnte er Millionen Pendlerinnen und Pendlern eine Alternative zum Auto bieten, am besten kostenlos, leistete er einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung. Im Landkreis Mainz-Bingen sowie in Stadt und Kreis Bad Kreuznach wurde nun die lange geforderte Re-Kommunalisierung angegangen. Wie das unter CDU-Landrätinnen und einem FDP-Oberbürgermeister umgesetzt wurde, sorgte bis dato für Chaos im Busbetrieb und Prozesse. Besonders heikel: Einige engagierte Betriebsräte und Gewerkschafter des privatwirtschaftlichen Vorgängers wurden nicht übernommen. Und eine Betriebsratswahl wurde vom Arbeitsgericht wegen Verstößen gegen die Wahlordnung abgebrochen.

Vor gut 20 Jahren wurde in Bad Kreuznach der kommunale Eigenbetrieb „Städtische Betriebe“ zerschlagen und teils privatisiert. Neoliberalen Irrlehren folgend, privat ginge alles besser, wurde der Busbetrieb samt 13.000 Quadratmetern in bester Lage, Betriebsgebäuden und allem Inventar für eine Mark verkauft. Im „Focus“ als vorbildlich dargestellt, wurden einige hunderttausend Mark jährlicher Ersparnis zu Lasten des Personals als Begründung benannt. Die ÖTV konnte nur eine Besitzstandswahrung für Alt-Beschäftigte durchsetzen. Alles war so lange profitabel, bis kämpferische ver.di-Gewerkschafter mit Streiks höhere Löhne und unter anderem die Bezahlung betriebsbedingter Standzeiten durchsetzten. Die Umsetzung der Tarifverträge musste durch Streiks erzwungen werden, mittelbar auch gegen die rot-grün-gelbe Landesregierung, die den Verkehrsverbünden lange nicht das notwendige Geld zur Verfügung stellte.

Weil der Busbetrieb immer unzuverlässiger wurde, wurde nach Auslaufen der Konzessionen eine Re-Kommunalisierung begonnen, allerdings von diversen Neoliberalen in den Kommunalparlamenten in ihrem Sinne gemodelt. So wurde kein kommunaler Zweckverband gegründet mit öffentlich Bediensteten und direktem Einfluss der Kommunalparlamente. Gegründet wurde eine privatwirtschaftliche GmbH, in die die Räte Mitglieder entsenden, die aber zum Beispiel weitgehenden Schweigepflichten unterliegen. Kommunale Demokratie wurde ausgebremst. Zudem sollen 49 Prozent der Fahrtleistungen privat vergeben werden. Wie Private Profite realisieren, wenn nicht durch verschärfte Ausbeutung, fragte die lokale DKP in ihrer Stadtzeitung „Der Funke“.

Zu den Privaten gehört auch der frühere Bahnbusbetrieb, traditionell von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft gut tarifiert. Die Kolleginnen und Kollegen dort begrüßen dann die teilweise private Vergabe, die ihre Arbeitsplätze sichert.

Folge der 49-Prozent-Vergabe ist auch, dass kein Betrieb mit über 500 Beschäftigten entstand. Jetzt sind über 250 in der GmbH und etwa gleich viele bei den Privaten. Anders hätte das Mitbestimmungsgesetz gegriffen, im Aufsichtsrat hätten ein Drittel Belegschaftsvertreter sitzen müssen, was theoretisch auch mal Mehrheiten mit fortschrittlichen Kommunalpolitikern gegen neoliberale der beteiligten Kommunen ermöglicht hätte.

Das wochenlange Chaos für die Fahrgäste nach der Betriebsübernahme sei hier nur erwähnt. Wichtiger ist der Streit, ob es sich um einen Betriebsübergang handelte, bei dem alle Beschäftigten des Vorgängers zu übernehmen gewesen wären. Landrätinnen, OB und Geschäftsführung verneinen das und haben mehrere aktive ver.di-Gewerkschafter und Betriebsräte nicht übernommen. Deren Arbeitsgerichtsklagen scheiterten erstinstanzlich und werden zum Landesarbeitsgericht gehen. Bemerkenswert ist, dass die Überwachungsstelle für das Landes-Tariftreue-Gesetz einen Betriebsübergang sieht und empfiehlt, die Nichtübernahmen mit Bußgeldern von einem Prozent des Auftragsvolumens pro Einzelfall zu ahnden. Setzt die Landesregierung das um, dann werden sich wohl die Verwaltungsgerichte damit befassen müssen.

Hat es ein Geschäftsführer eilig mit der Betriebsratswahl, ist Vorsicht geboten. Gerichtlich festgestellt ist, dass ein mehrheitlich als dem Management nahe eingeschätzter Wahlvorstand das Wahlausschreiben nicht wie vorgeschrieben aushängen ließ. Es wurde in unbeschrifteten Ordnern in Betriebsstellen so platziert, dass das Gros der Wahlberechtigten sie erst nach Fristabläufen wahrnahm. So kam dann nur eine Kandidatenliste mit Wunschkandidaten der Geschäftsführung zustande, wie Kollegen meinten. Beschäftigte klagten mit ver.di-Rechtsschutz erfolgreich. Diese Wahlvorbereitung muss wiederholt werden.

Die Kolleginnen und Kollegen haben ver.di hinter sich und die DGB-Gewerkschafter vor Ort, was ein kämpferischer DGB-Neujahresempfang zeigte. Für Fahrgäste, Beschäftigte und fortschrittliche Kommunalpolitiker zeigt sich, dass auch dann, wenn eine Re-Kommunalisierung Mehrheiten finden konnte, die Neoliberalen einiges in Bewegung setzen können, um die zu „entschärfen“. Darauf muss man anderenorts eingestellt sein.

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"Zweifelhafte Re-Kommunalisierung des ÖPNV", UZ vom 24. Februar 2023



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