Bundesregierung wird nichts gegen die Preissteigerungen tun

Zwischen Inflation und Bankencrash

Knurrig klang die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesernährungsministerium, Ophelia Nick (Die Grünen), auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“, was die Bundesregierung denn gegen die weiter steigenden Lebensmittelpreise tun wolle. Es habe nun „drei Entlastungspakete“ gegeben, weitere Entlastungsmaßnahmen seien „von der Bundesregierung nicht zu erwarten“.

Über die Dramatik der Situation gibt es keinen ernsthaften Streit. Der „FAZ-Preisbericht“ vom 14. April berichtet unter der Überschrift „Zuckerpreis steigt um mehr als 70 Prozent“ über einige weitere Kernwerte aus dem ersten Quartal 2023: „Im Schnitt verteuerten sich Lebensmittel auf Jahressicht um 22,3 Prozent. Selbst gegenüber Februar legten die Preise im März nochmal um 1,3 Prozent zu. (…) Molkereiprodukte und Eier verteuerten sich um 34,6 Prozent. Die Preise für Gemüse stiegen um 27,3 Prozent, die für Brot und Getreideerzeugnisse um 23,8 Prozent und die für Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte um 22,2 Prozent.“

Die Antwort der Bundesregierung zeigt: Die da oben werden dagegen nichts tun. Sie können es auch nicht – außer durch die Aufgabe ihrer militärischen Hochrüstungspläne. Statt aber die 100 Milliarden für Panzer und Munition zum Inflationsausgleich einzusetzen, versuchen sie zurzeit jenseits und diesseits des Atlantiks, vor allem durch Mittel der Geldpolitik die Inflation zu dämpfen. Sie erhöhen also die Zinsen in der Erwartung, dadurch die nach ihren Lehrbüchern überhitzte und so Preise nach oben treibende Konjunktur abzukühlen. Der bislang einzige Effekt war im März zu besichtigen, als in den USA die Silicon Valley und andere Banken und in der Schweiz die ehrwürdige Credit Suisse pleite gingen, weil sie sich in dem unübersichtlichen Feld anziehender Zinsen verspekuliert hatten. Der Londoner „Economist“ untersuchte am 25. März den Scherbenhaufen unter der bezeichnenden Überschrift „The great balancing act“ und prognostizierte dem Westen eine „extrem schmerzhafte“ Gratwanderung zwischen Instabilität des Bankensektors und hoher Inflation. In Kurzfassung: Werden die Zinsen noch mehr erhöht, platzen noch mehr Banken und gefährden das ganze System. Bleiben die Zentralbanken mit weiteren Zinserhöhungen vorsichtig, schießt die Inflation endgültig davon. Ein Hinweis, von wem der Wertewesten lernen könnte, es besser zu machen, steht regelmäßig auf der letzten Seite dieses Blattes, in der die ökonomischen Kernziffern aller großen Länder aufgelistet werden: Inflation in China 1,0 Prozent, Wachstum 5,7 – Euro-Land Inflation 6,9 Prozent, Wachstum 0,7. Bei den USA lauten die Werte 6,0 Prozent Inflation, 0,7 Prozent Wachstum.

Das, so stellte der von der Dollar- und Eurozone dominierte Internationale Währungsfonds (IWF) am 11. April fest, werde dieses Jahr so bleiben. Wachstum, so räumten seine Sprecher ein, werde es in nennenswerten Werten vor dem Komma nur noch in China und Indien und anderen Staaten außerhalb der traditionellen Industrienationen geben; hier werde die Wirtschaft stagnieren und es müsse „mit deutlich höherer Arbeitslosigkeit“ gerechnet werden. Die Kombination aus Inflation und Stagnation heißt Stagflation – das ist die Perspektive des Wertewestens für die Masse ihrer Bevölkerungen.

Der Forderung nach einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel erteilte die olivgrüne Staatssekretärin übrigens auch eine Absage. Jeder Cent Mehrwertsteuer wird zurzeit eben für Panzer und Granaten gebraucht.

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"Zwischen Inflation und Bankencrash", UZ vom 21. April 2023



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