Türkei: Erdogan versucht seiner AKP einen Sieg bei den Kommunalwahlen zu sichern

AKP im Sinkflug

Von Rüdiger Göbel

Ende März gibt es in der Türkei Kommunalwahlen. Wirtschaftlich steht das Land am Bosporus schlecht da. Die Währung verfällt, die Arbeitslosenzahlen steigen, Lebensmittelpreise und Energiepreise explodieren. Erdogan und seine islamistische Regierungspartei AKP versuchen angesichts sinkender Zustimmungswerte jetzt mit Geldgeschenken für verschuldete Bürger und Kriegsdrohungen gegen die syrischen Kurden bei den Wählern zu punkten. Um auf Nummer sicher zu gehen, werden auch Wahlmanipulationen vorbereitet.

Meinungsumfragen zufolge unterstützt nur noch jeder dritte Wahlberechtigte die AKP. Bei den Kommunalwahlen 2014 waren es noch 43 Prozent. Die AKP könnte die seit 20 Jahren gehaltenen Rathäuser in der Hauptstadt Ankara und der Multimillionen-Metropole Istanbul verlieren.

Und so führt Erdogan weiter einen brutalen Repressionskurs gegen seine Opponenten. Verhaftungen sind an der Tagesordnung. In der westtürkischen Stadt Izmir wurde am 12. Januar eine Gewerkschaftskundgebung von der Polizei angegriffen, 15 Gewerkschafter wurden verhaftet. Am 20. Dezember hatte die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität von 68 Abgeordneten der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP beantragt, weil sie eine Erdogan-Karikatur über Twitter geliked und verbreitet hatten. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu vier Jahren und ein Verbot politischer Betätigung. Anfang Dezember hatten Erdogan persönlich und die regierungsnahen Medien über Tage den CHP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu attackiert, weil er sich in Berlin mit der Linke-Abgeordneten und Vorsitzenden der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Sevim Dagdelen, getroffen hatte. Letztere hat der türkische Staatschef als „fanatische Terrorunterstützerin“ zur Zielscheibe seiner fanatisierten Anhänger gemacht.

Hinzu kommt eine neue Verhaftungswelle von Abgeordneten, Mitgliedern und Unterstützern der prokurdischen HDP. Vor allem im Südosten der Türkei werden die Büros der Partei bei sogenannten Razzien verwüstet und zerstört. 90 gewählte Bürgermeister der HDP in den kurdischen Gebieten sind seit dem Putschversuch 2016 durch Erdogan-loyale Marionetten ersetzt worden. Der Staatschef hat bereits angekündigt, neu gewählte Bürgermeister würden durch sogenannte Treuhänder ersetzt, wenn sie „Terrororganisationen“ nahe stünden – gemeint ist die in der Türkei verbotene Arbeiterpartei Kurdistans, PKK. Wer also im März über das HDP-Ticket Bürgermeister wird, soll über kurz oder lang wieder abgesetzt werden.

Um es gar nicht erst dazu kommen zu lassen, werden offensichtlich Wahlmanipulationen vorbereitet. Berichte über frisierte Wählerlisten gerade in den kurdischen Gebieten häufen sich. In der Stadt Igdir sollen in einer Polizeiunterkunft in 38 Zimmern 374 Wahlberechtigte wohnen. In Bingöl wurden in einer Hausmeisterwohnung 224 registrierte Wähler gefunden. In einer Wohnung der Armee in Siirt sollen 700 Wahlberechtigte leben, in Hakkari passen in eine einzige Wohnung der Sicherheitskräfte angeblich sogar über 1 000 Wähler. Solche Manipulationen sind Ausdruck der Schwäche des Regimes – nicht seiner Stärke. Und wenn alles nichts hilft, soll ein neuer Krieg gegen die Kurden das Volk hinter dem Präsidenten vereinen. Die Armee steht an der Grenze zu Syrien bereit.

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"AKP im Sinkflug", UZ vom 25. Januar 2019



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