„Bagatelldelikt“ führt zu Haftstrafe ohne Bewährung

Aktivistin verurteilt

Von Bernd Müller

Das erste Urteil im Zusammenhang mit den Aktionen des Bündnisses „Ende Gelände“ am Pfingstwochenende in der Lausitz ist gesprochen. Eine Umweltaktivistin, die ihre Identität nicht preisgeben wollte und von dem Bündnis „Yu“ genannt wird, wurde am 9. Juni vor dem Amtsgericht Cottbus wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Seit ihrer Festnahme sitzt sie in Untersuchungshaft, weil sie keine Angaben zu ihrer Person machen wollte. Richter und Staatsanwalt sahen darin das Hauptvergehen.

Aktivistin Yu war am Pfingstwochenende an einer Gleisblockade beteiligt, mit der die Kohlelieferung in das Kraftwerk Schwarze Pumpe unterbunden werden sollte. In der Nacht vom 13. zum 14 Mai sollte das Gleis durch die Polizei geräumt werden. Yu wurde mit allen anderen, die nicht an das Gleis gekettet waren, zunächst weggetragen. Die Befragung der Angeklagten und der beiden Polizisten, die als Zeugen geladen waren, ergab übereinstimmend, dass Yu im Gegensatz zu den anderen Aktivisten nicht in einiger Entfernung zu den Angeketteten stehen bleiben sondern zu den Gleisen zurück wollte. Der Polizei gelang es nur schwer, sie festzuhalten. Nachdem Yu gefesselt worden war und wieder weggetragen wurde, strampelte sie mit den Beinen, wobei sie einen Polizisten am Bein traf. Dieser trug einen blauen Fleck davon.

Eigentlich sei das alles nur ein Bagatelldelikt, führte Richter Michael Höhr aus, und würde normalerweise mit einer Geldstrafe geahndet. Zum schwerwiegenden Problem werde in diesem Zusammenhang, dass Yu keine Angaben zu ihrer Identität mache. Bei ihrer Festnahme hatte sie kein Ausweisdokument dabei, und sie verweigerte jede Angabe zu ihrer Person. Die Fingerabdrücke waren unbrauchbar; die Angeklagte hatte sich wahrscheinlich seit geraumer Zeit in die Fingerkuppen geritzt. Insgesamt hatte sie sich sämtlichen Maßnahmen der Kriminaltechnik widersetzt, so dass ihre Identität auch nicht auf dem behördlichen Weg festgestellt werden konnte. Alle Versuche des Richters, sie doch noch zu Angaben zu ihrer Person zu überreden, scheiterten.

Einzig ihr Alter verriet Yu. 19 Jahre alt sei sie, sagte sie vor Gericht und löste damit eine Debatte aus, ob sie nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen sei, was für die Höhe der Strafe nicht unerheblich ist.

Für Richter Höhr lag die Sache klar auf der Hand: Es sei nicht typisch für jugendliche Straftäter, dass sie sich Hilfe bei einem Anwalt holen, weshalb man bei Yu auch von der notwendigen Reife für einen Erwachsenen ausgehen könne. Ebenso sei politisches Engagement nicht gerade jugendtypisch.

Am Ende stand das Urteil: Zwei Monate Haft ohne Bewährung. Richter Höhr folgte damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese sah eine Gefahr für den Rechtsstaat heraufziehen, wenn geduldet würde, dass sich jemand der Strafe entziehen könnte, weil seine Personalien nicht festzustellen seien. In Yus Weigerung, Name und Adresse offenzulegen, sah Richter Höhr dann auch eine schwerwiegend negative Einstellung gegenüber dem Rechtsstaat und „Feigheit vor dem Feind“.

„Ende Gelände“ wirft dem Richter vor, mit dem Urteil ein Exempel statuieren zu wollen, um die Umweltbewegung einzuschüchtern. Unrecht hat das Aktionsbündnis damit nicht, denn Höhr begründete die zweimonatige Haftstrafe mit einer „generalpräventiven Wirkung“, die notwendig sei. Und gegen Aktionen des zivilen Ungehorsams, so wie in der Lausitz praktiziert, sagte er, politische Ziele dürften niemals außerhalb des Rechtsstaats und seines Gewaltmonopols durchgesetzt werden.

Die Verteidigung hat angekündigt, in Berufung zu gehen, und dürfte damit gute Chancen auf Erfolg haben. Im März hob das Landgericht Cottbus bereits ein anderes Urteil des Amtsgerichts auf, bei dem ebenfalls eine Umweltaktivistin zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wurde, weil sie ihre Personalien nicht preisgeben wollte.

Insa Vries von „Ende Gelände“ kommentierte das Urteil: „Das Urteil gegen Yu ist vollkommen inakzeptabel und kommt einem politischen Urteil gleich. Es kann nicht sein, dass Umweltaktive derart jenseits des üblichen Strafmaßes verurteilt werden. Wir sind aktiv für die Zukunft der Menschen und gegen den Ausverkauf der Ressourcen durch das Kapital. Solche Repressionen machen uns fassungslos und wütend zugleich, aber sie werden uns nicht aufhalten.“

Das Aktionsbündnis hatte zu Pfingsten zu Massenaktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Kohleverbrennung in der Lausitz aufgerufen, welche von fast 4 000 Menschen umgesetzt wurden.

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"Aktivistin verurteilt", UZ vom 17. Juni 2016



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