Gefangenenaustausch im Donbass

Alle gegen einige

Von Renate Koppe

Am 27. Dezember fand das erste Mal nach mehr als einem Jahr ein Gefangenenaustauschen zwischen den Volksrepubliken des Donbass und der Ukraine statt.

Über einen solchen Austausch wurde in Minsk mehr als ein Jahr verhandelt, von ukrainischer Seite wurde immer wieder versucht, Gefangene von den Listen für die Übergabe zu streichen. Einen ersten Durchbruch gab es, nachdem im November der russische Präsident Putin unter Vermittlung der Russisch-Orthodoxen Kirche ein Gespräch mit einem der ukrainischen Verhandlungsführer, Medwedtschuk, führte. Nach weiteren Versuchen der ukrainischen Seite den Austausch zu behindern, gab es am 25. Dezember eine Einigung zwischen den Staatsoberhäuptern der Donezker Volksrepublik (DVR) und der Lugansker Volksrepublik (LVR) und Medwedtschuk. Diese beinhaltete, dass die Ukraine am 27. Dezember insgesamt 306 Gefangene an die Volksrepubliken übergeben sollte und diese 74 an die Ukraine. Die große Differenz erklärt sich dadurch, dass die in den Volksrepubliken festgehaltenen Menschen fast ausschließlich bei Kämpfen gefangen genommene ukrainische Soldaten sind, während die Ukraine seit Beginn des Konflikts vor allem politische Gefangene austauscht, teilweise Menschen, die einfach willkürlich des „Separatismus“ beschuldigt werden.

Während die Volksrepubliken alle auf der Liste angegebenen rückkehrwilligen Gefangenen an die Ukraine übergaben, wurden von der Ukraine nur insgesamt 234 Gefangene an die Volksrepubliken übergeben. Für die LVR erklärte Olga Kobzewa, dass nur 73 statt 93 Gefangene übergeben wurden, da mehr als zehn zum Zeitpunkt des Austausches bereits frei waren, acht hätten vor Ort erklärt, sie wollten auf dem Territorium der Ukraine bleiben.

Die DVR machte deutlich, dass Menschen nach der Vereinbarung wieder von den Listen gestrichen worden sind, ihnen wurden statt 207 nur 161 Gefangene überstellt. Man habe den Austausch dennoch durchgeführt, damit der große Teil der Menschen freikomme. Die DVR hat schon seit mehreren Jahren verstärkt politische Gefangene aus der Ukraine auf ihre Austauschlisten genommen. Während die ukrainische Seite behauptet, die genannten Personen hätten den Austausch verweigert, gibt es Informationen, dass mindestens 14 austauschwillige Menschen im letzten Moment von der Ukraine zurückgehalten wurden, darunter vor allem politische Gefangene und auch russische Staatsbürger.

Am Tag nach dem Austausch hat der ukrainische Präsident Poroschenko dies indirekt bestätigt, als er sagte, russische Staatsbürger würden nur gegen in der Russischen Föderation inhaftierte Ukrainer ausgetauscht.

Von vornherein war klar, dass es sich bei dem Austausch vom 27. Dezember nicht um den von den Minsker Vereinbarungen vorgesehenen Austausch „aller gegen alle“ handelt, auch die ursprünglichen Listen erfassten bei weitem nicht alle Gefangenen in der Ukraine. Die für den Austausch auf Seiten der DVR zuständige Bevollmächtigte für Menschenrechte, Darja Morosowa, teilte mit, dass allein im Monat vor dem Austausch in der Ukraine 18 weitere Menschen festgenommen wurden. Nach ihren Informationen werden derzeit von der ukrainischen Seite noch 290 Menschen festgehalten. Weitere 444 Personen sind vermisst, zumindest ein Teil von ihnen könnte sich auch in ukrainischer Gefangenschaft befinden.

Auch nach diesem Austausch wurde wieder bekannt, dass eine Reihe von Gefangenen in der Ukraine schwer misshandelt wurden.

Während die Haftanstalten, in denen sich die ukrainischen Gefangenen in den Volksrepubliken befinden, regelmäßig von Beauftragten von UNO und OSZE besucht werden, lässt die Ukraine in viele Gefängnisse keine internationalen Beobachter.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Alle gegen einige", UZ vom 5. Januar 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit