Ein Bauvorhaben in der Rigaer Straße sorgt für Ärger

Alles für die Investoren

Von Nina Hager

Derzeit ist die Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain wieder in den Schlagzeilen. Aber nicht etwa wegen neuer Randale oder weiterer Polizeieinsätze. Aktuell fordert gerade auch niemand wieder einmal die Räumung der Rigaer 94, eines Treffpunkts der „linken autonomen Szene“.

Das Problem, das die Anwohnerinnen und Anwohner der Rigaer Straße derzeit viel mehr beschäftigt und gegen das es täglich gegen 19 Uhr Proteste gibt, das sogenannte „Kiezscheppern“, ist eines, das symptomatisch für die Stadtentwicklungspolitik des gegenwärtigen „rot-rot-grünen“ Senats in Berlin ist. Auf der einen Seite gibt es eine Vereinbarung zwischen den sechs städtischen Wohnungsunternehmen und dem Senat über „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“, mit der Mieterinnen und Mieter tatsächlich teilweise entlastet werden könnten. Andererseits steigen Boden- und Immobilienpreise. Vor allem in der Innenstadt. Und es gibt es offenbar keine Grenzen für Investoren.

Letzteres zeigt sich derzeit und beispielhaft ausgerechnet in der Rigaer Straße. Dort beginnt die Berliner Immobilienfirma CG Deutsche Wohnen GmbH mit dem Bau des Carré Sama-Riga. Allein in dieses Projekt der CG sollen ca. 35 Millionen Euro fließen. Entlang der Rigaer Straße 71–73a wird es eine Neubebauung geben, ein Altbau im Hof soll saniert werden. Dafür wurden an dieser Stelle – noch unter dem alten Senat – im vergangenen Jahr denkmalgeschützte Häuser abgerissen. Für den Abriss wurde der Denkmalschutz aufgehoben, d. h. den Interessen der Investoren geopfert, wie der Friedrichshainer Geschichtsverein Wolfgang Kohlhase e. V. kritisierte. Geplant sind insgesamt 133 Wohnungen, die zwischen 11 und 13 Euro/m2 kosten werden. Für die Mehrheit der Menschen, die teilweise seit Jahrzehnten im Kiez leben, ist das unbezahlbar. Sozialwohnungen sind nicht vorgesehen. Auf der anderen Straßenseite wird gleichfalls gebaut. Dort sollen Eigentumswohnungen und ein Hotel entstehen. Nachdem der Baustadtrat Friedrichshain-Kreuzbergs, Florian Schmidt (Grüne), im Frühjahr seine Unterschrift unter die Baugenehmigung verweigert hatte, kam Anfang Mai ein positiver Bescheid aus dem Arbeitsbereich der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher (Linkspartei). Baurecht wurde gewährt. Angesichts der Rechtslage sei eben nichts zu machen.

Im Kiez ging der Protest weiter. Aktuell sind viele zudem über das Bezirksamt verärgert. Weil jetzt nämlich auch noch die Rigaer auf beiden Seiten der Baustelle für den Verkehr, aber auch für Fußgänger total gesperrt wurde. Ein Bauzaun verbarrikadiert den Durchgang auf dem Straßenabschnitt zwischen Samariterstraße und Voigtstraße. „Die neuen Barrikaden in der Rigaer Straße“, nannte das am 3. August der Berliner „Tagesspiegel“. Bis Ende Februar 2019 soll die Sperrung dauern, die Wirtschafts- und Ordnungsstadtrat Andy Hehmke (SPD) verteidigt und nicht rückgängig machen will, weil sie angeblich der „Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer“ dienen soll. „Darüber hinaus verkürzt sich die Bauzeit um zwei bis drei Jahre. Es kann so an beiden Baustellen gebaut werden“, hieß es zuvor in einer Mitteilung. Angeblich um das Baugeschehen zu beschleunigen. – Auch das ist ein Geschenk an die Investoren.

Übrigens: Die Berliner Wohnungsgesellschaft DEGEWO ist seit dem vergangenen Jahr darum bemüht, das Haus Rigaer Straße 94 vom Eigentümer, der bislang durch die britische Gesellschaft Lafone Investment vertreten wurde, zu kaufen. Laut „Morgenpost“ will die Berliner Finanzverwaltung mit einem Kauf oder der Verwaltung des Hauses erreichen, dass die Konflikte vor Ort entschärft werden können. Mag sein, dass das gelingt und es auch zu einem dauerhaften Dialog kommt. Die Probleme um die Rigaer 94 könnten entschärft werden, die anderen bleiben. Und man wird sich erinnern: Es gab zum Anfang der Amtszeit viele Versprechen des neuen Senats wie der neuen Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. Mittlerweile ist zu befürchten, dass auch unter „R2G“ ganz offensichtlich am Ende immer der Investor gewinnt.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Alles für die Investoren", UZ vom 11. August 2017



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