Von Stürmen und Vergessen

Alles richtig gemacht

Kolumne oder so

Sport I.

Der Gartenbro und ich stehen vor der Kneipe und rauchen. Sturm „Wencke“ zieht durch die Straßen. T., den wir nur vom Billard kennen, groß, breit, glatzköpfig, mit „Migrationshintergrund“, wird mehr um die Ecke geblasen als dass er geht. Ich: „Hey Alter, dein Toupet ist weggeflogen.“ Er baut sich vor mir auf (wir sind jetzt gleich groß, ich stehe zwei Treppen höher), starrt mich fünf Sekunden an, und ich denke schon, oh fuck … kommt: „Alter, wenn ich dich nicht so gut leiden könnte …“ Ich „Hihi“, der Gartenbro atmet einmal tief durch und der Wind traut sich wieder zu lärmen. Uff. Einfach mal denken vorm Quatschen. Dann hätte ich ausnahmsweise mal: Alles richtig gemacht.

Einbruch.

Vor vier Wochen ist mein Keller aufgebrochen worden. Ich hab ihn so gelassen, also offen. Aber nein: Es wird einfach nichts gestohlen. Verdammt, muss ich das doch alles selber zur Kippe fahren vor dem Umzug.

Zeit.

Das Drama einer Wochenzeitung: Was ich gestern geschrieben habe, ist heute von Vorvorgestern. So bei den Protesten gegen die DFL (Deutsche Fußball Liga). Justament knicken die Bosse ein und legen den möglichen Investoren-Deal in die Ablage P (Papierkorb). Da haben es die Kleinen (Fans) den Großen (Bosse) mal gezeigt. „Bild“-“Kommentator“ Alfred Draxler brüllt am nächsten Tag in seinem Brüll-Blatt: „Ab sofort ist der Fußball erpressbar!“ Wenn der Typ Herzklabastern bekommt, kann nur eines passiert sein: Alles richtig gemacht.

Politik.

„Lindner will keine neuen Sozialausgaben in den nächsten Jahren. Der Bundesfinanzminister fordert, auf Sozialausgaben zu verzichten, um mehr Geld für Verteidigung ausgeben zu können.“ („Zeit“) FDP: Fick Dich Pöbel.

Umzug.

Die Vormieterin zieht bald aus, wann ich in die neue Wohnung darf ist unklar, „Erst müssen die Elektriker da rein“. Ok, der Vertrag läuft ja auch erst ab dem 1. 5. Bis dahin könnte viel gemacht werden, auch schon hier in der alten Bude. Mal das Bücherregal und die Schallplattensammlung durchforsten, was man nicht mehr mitschleppen will. Den Kleiderschrank, die böse Kammer, den Keller, go! Ich liege auf dem Sofa, trinke Weißwein und lese „Garry Disher: Hope Hill Drive“. Ein „Rural Noire vom Feinsten“, wie der Buchdeckel behauptet. Keine Ahnung, was das bedeutet, aber es stimmt. Alles richtig gemacht.

Nachrichten I.

„Deutschland wird HIGH“, brüllt die „Brüllt“, äh, „Bild“ zum Cannabis-Gesetz vor meinem tamilischen Kiosk. „U. a. Kinder- und Jugendärzte, Richterbund und Unionspolitiker warnen vor der Cannabis-Legalisierung!“ Ich dreh’ mir ein kleines Tütchen, lege Bob Marley auf und die Füße hoch, und denke mir: … also … äh, also … sorry, hab ich jetzt irgendwie vergessen, duhu.

Wörter.

Wenn Sätze sich selber widersprechen: „Beeil dich mal so langsam.“ Schön.

Nachrichten II.

„War Nawalny ein Rassist?“ fragt n-tv. Nur um dann zu urteilen: „Das unappetitliche Zahnarzt-Video (er verglich ethnische Probleme in Russland mit Karies) und Nawalnys Teilnahme am ‚Russischen Marsch‘ (Neonazi-Aufmarsch) sind nur durch die Ambitionen Nawalnys zu verstehen.“ Jau. Gäbe es einen Intelligenzintoleranzpreis, ich tät ihn hier gerne vergeben.

Sport II.

Auf dem Rückweg vom Billard. Fahrrad, leichtester Gang, höchste Motorunterstützung, ich fahre trotzdem eher rückwärts als vorwärts, Sturm „Wencke“ und so. Kumpel J. zieht locker von dannen, sein Rad hat einen 500-Watt-Motor. Ich mal gerade die Hälfte davon. Mühe mich durch schlingernde Bäume und sich verlustizierende Verkehrsschilder nach Hause und finde: Alles richtig …

Ach nee.

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"Alles richtig gemacht", UZ vom 1. März 2024



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