Arbeitshetze führt zu Erschöpfung und Depressionen

Atemlos durch den Tag

Zeitdruck und Arbeitsverdichtung prägen den Arbeitsalltag für immer mehr Kolleginnen und Kollegen. Daher hätten die Autoren des aktuellen „DGB Index Gute Arbeit“ kaum eine treffendere Überschrift als „Arbeiten am Limit“ finden können.
53 Prozent der insgesamt 6.500 befragten Lohnabhängigen in der DGB-Studie gaben an, dass sie sich sehr häufig oder oft bei der Arbeit gehetzt fühlen. Neben einem hohen Zeitdruck und zunehmender Arbeitsverdichtung berichteten viele Befragte über Überlastungen aufgrund des Arbeitsvolumens. Jeder Vierte gab an, dass die zu bewältigende Arbeitsmenge nicht in der dafür vorgesehenen Zeit zu bewältigen sei, und 34 Prozent der Beschäftigten berichteten, dass sie in den letzten zwölf Monaten deutlich mehr Arbeit in der gleichen Zeit als im Vorjahr erledigen mussten.

Das Versprechen, dass in Folge von technischem Fortschritt und Digitalisierung Überlastungen am Arbeitsplatz geringer würden, hat sich zumindest in unserem Wirtschaftssystem als Luftnummer herausgestellt. Stattdessen sind für viele Kolleginnen und Kollegen zusätzliche Anforderungen durch Multitasking und steigende Komplexität der Aufgaben hinzugekommen.

Ein weiteres Symptom von Arbeitsüberlastung beschreiben die Autoren im Rahmen ihrer Studie: 28 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass sie sehr häufig oder oft Erholungspausen verkürzten oder ganz ausfallen lassen. Und dies, obwohl das Arbeitszeitgesetz nach einer bestimmten Zeitdauer Ruhepausen vorschreibt. Daher ist es kein Wunder, dass sich inzwischen jeder dritte Lohnabhängige nach der Arbeit leer und ausgebrannt fühlt. Häufig ist dies jedoch mehr als nur ein Gefühl.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass quantitative Überbelastungen bei den Betroffenen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen. Das Risiko, unter Erschöpfung, Burnout oder depressiven Störungen zu leiden, ist deutlich erhöht, so die Erkenntnis der Bundesanstaltalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Aber auch Krankheit führt immer seltener zu einer Pause beim täglichen Lauf im Hamsterrad. Zwei Drittel aller Beschäftigten gaben laut DGB-Index an, in den vergangenen zwölf Monaten trotz Krankheit gearbeitet zu haben. Besonders auffällig war hier der hohe Umfang, in dem überlastete Beschäftigte krank zur Arbeit gingen: Knapp ein Viertel hatte dies im vergangenen Jahr an 15 Tagen oder mehr getan. Hinzu kommen weitere 20 Prozent, die an 10 bis 14 Tagen trotz Krankheit gearbeitet hatten.

Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass es für den Schutz vor arbeitsbedingter Überlastung ein relativ simples Kriterium gibt. Die Arbeitsmenge muss in der zur Verfügung stehenden Zeit zu bewältigen sein unter Bedingungen, die die Beschäftigten nicht krank machen. Dies setzt aber (Mit-)Bestimmung der arbeitenden Menschen auf die Arbeitsmenge und nicht zuletzt Anpassungen der Ziele bei unvorhergesehenen Ereignissen voraus. Die Realität ist für viele Beschäftigte eine andere. So können zwei Drittel ihre Arbeitsmenge gar nicht oder nur in geringem Maß beeinflussen. Gerade in Betrieben ohne Betriebsrat und gut organisierte Belegschaften hängt immer noch das Schild „Vorsicht, Sie verlassen den demokratischen Sektor“ unsichtbar am Werkstor. Aber selbst dort, wo sich gewerkschaftliche Gegenmacht manifestiert, entscheiden unter kapitalistischen Bedingungen, wenn auch im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes etwas eingeschränkt, wenige darüber, was und wie produziert wird und damit auch über das Leben und die Gesundheit von vielen.

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"Atemlos durch den Tag", UZ vom 10. Januar 2020



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