Zu den Beziehungen zwischen den USA und Russland

Bidens Killer-Spruch

Sibirien begann nicht nur für Konrad Adenauer an der Elbe. Für den echten Bonner soll es auf der östlichen Rheinseite liegen. Wo das so ist, wird jeder Unfug über den Osten dankbar als Bestätigung dessen, was man immer schon wusste, entgegengenommen. Wenn also in der Zeitung steht, dass russische Sportler grundsätzlich von Staats wegen gedopt werden, dann stößt das auf wenig Widerspruch. Und niemand macht sich lustig, wenn der Internationale Sportgerichtshof CAS bestimmt, dass russische Teilnehmer internationaler Sportwettkämpfe nicht ihre Nationalhymne und auch nicht ersatzweise das Liebeslied „Katjuscha“ singen dürfen. Kein Tag ohne antirussische Realsatire.

Das gilt auch, wenn ein US-Präsident seinen russischen Amtskollegen als „Killer“ bezeichnet. Es erinnert zumindest an den Spruch George Bernard Shaws aus den 30er Jahren: „Ich bin bekannt für meine Ironie. Aber auf den Gedanken, im Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten, wäre selbst ich nicht gekommen.“

Joseph Biden will vor allem Sanktionen ankündigen – ein „Killer“ muss bestraft werden – und fackelt nicht lange. Anfang Februar unterschrieb er zwar die Vereinbarung mit Russland über die Verlängerung des New-Start-Abkommens, des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages. Ende des Monats führte er sich dann aber mit einem illegalen Luftschlag auf Ziele in Syrien so ein, wie es von einem frischgebackenen US-Präsidenten erwartet wird. Unter DDR-Diplomaten gab es einst die Maxime, jeder Neue im Weißen Haus sei eine Gefahr für den Weltfrieden. Die realen Kräfteverhältnisse erschließen sich nicht sofort.

Das gilt besonders für Biden. „Monitor“ erinnerte wenige Tage nach den US-Wahlen im November an dessen frühere Haltung zu Krieg und Frieden und gab dem Bericht den Titel: „Rückkehr der US-Falken“. Für die Schlächtereien der USA und ihrer Verbündeten auf dem Balkan, in Afghanistan oder im Irak hatte Senator Biden stets gestimmt, genauer: auf sie gedrängt. Als US-Vizepräsident besorgte er den 2014er-Putsch von Nationalisten und Faschisten in der Ukraine und befeuerte den Krieg gegen die Aufständischen im Donbass – eine strategische Attacke auf Russland. Biden glaube, sagt in dem „Monitor“-Beitrag ein US-Politikwissenschaftler, die USA hätten „das Recht, überall und jederzeit zu intervenieren“.

Die Sprache, die Biden gegen Russland wählt, wird auch gegen China verwendet. Das deutet an, wie sich Bidens Mannschaft das Verhältnis von Innen- und Außenpolitik vorstellt: Die tiefe Krise der US-Gesellschaft wird mit gigantischen Summen bekämpft, was immerhin Millionen US-Bürgern das nackte Überleben rettet. Aber auch mit chauvinistischen Attacken auf „Feinde“: Die USA sind Opfer. „Killer“ Putin hat zum Beispiel versucht, die US-Wahlen zu manipulieren. US-Durchschnittsbürgern kann man unwidersprochen größeren Humbug auftischen als den „Bonnern“.

Moskau würdigte jedenfalls den satirischen Anteil im „Killer“-Spruch: Putin wünschte dem Kollegen „Gesundheit“ und riet, nicht von sich auf andere zu schließen. Man übertrage immer auf einen anderen Menschen, was man eigentlich selber sei. Dann wurde der russische Botschafter in den USA zu Gesprächen nach Moskau geholt, um eine „irreversible Verschlechterung“ der Beziehungen zu den USA zu verhindern. Klarer können Diplomaten kaum sagen, wie ernst die Angelegenheiten stehen. Noch wäre einiges zu retten. Am Montag aber reiste Außenminister Sergej Lawrow für zwei Tage zum „strategischen Partner“ China. Es soll ein offizielles Militärbündnis ins Haus stehen, besagen russische Quellen.

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"Bidens Killer-Spruch", UZ vom 26. März 2021



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