Dammbrüche

In der Ukraine ist, wie es die „FAZ“ formuliert, der Kachowka-Staudamm „nach Angaben des ukrainischen Militärs am frühen Dienstagmorgen von russischen Streitkräften gesprengt worden“. Und wenn die Ukraine das so angibt, muss es ja fast stimmen. Da ist es relativ unerheblich, dass das Atomkraftwerk in Saporoschje (in dem sich ja bekanntlich die russische Armee aufhält) für die Kühlung von dem Staudamm abhängig ist, und dass mit der Zerstörung des Staudamms auch die Wasserversorgung der (bekannterweise zu Russland gehörenden) Krim unterbrochen ist. Aber, so argumentiert man, Russland hat so viel Angst vor der „Frühjahrsoffensive“ der Ukrainer (aus der aus Mangel an Ereignissen im Frühjahr inzwischen eine „Offensive, die demnächst losgeht“ geworden ist), dass sie vor den Konsequenzen nicht zurückschrecken: „Nach Darstellung des ukrainischen Militärs wurde der Staudamm gesprengt, um die ukrainischen Streitkräfte an der Überquerung des Dnipro zu hindern.“

Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Krieg mit der Zerstörung des Staudamms eine „neue Dimension“ erreicht, er war sich beim „Europaforum“ des „WDR“ in Berlin sicher, dass das etwas sei „das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt“. Beweise? Braucht ein Kanzler nicht.

Keine neue Dimension sahen Scholz und seine westlichen Politikerkollegen anscheinend in den Beweisen für den Einsatz belgischer Gewehre auf russischem Boden.

Die „Washington Post“ hatte Videos analysiert, die Überfälle pro-ukrainischer Milizen auf Dörfer im russischen Belgorod zeigen. Danach sind dabei sowohl gepanzerte Fahrzeuge aus NATO-Beständen als auch belgische Sturmgewehre vom Typ FN Scar und tschechische Automatikwaffen genutzt worden. Belgische Experten haben die Analyse inzwischen bestätigt. Belgien will die Ukraine nun daran erinnern, dass die Waffen zur Verteidigung gedacht waren und nicht weitergegeben werden sollen, und in Kiew „genauere Informationen“ erfragen.

Eine „neue Dimension“ scheint der Einsatz von NATO-Waffen auf russischem Boden aber nicht zu sein. Es passt zu der Art und Weise, wie die NATO diesen Krieg führt.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Dammbrüche", UZ vom 9. Juni 2023



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